Flüchtlinge
Erneute Proteste in Idomeni
11.04.2016
Die Spannungen im Lager an der griechisch-mazedonischen Grenze nehmen zu.
Nachdem bei Zusammenstößen an der griechisch-mazedonischen Grenze am Sonntag Hunderte Flüchtlinge durch Tränengas und Gummikugeln der mazedonischen Polizei verletzt wurden, haben die Spannungen am Montag wieder zugenommen. Erneut hätten sich rund 200 Migranten zum Protest vor dem Grenzzaun versammelt, teilte die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) zu Mittag auf Twitter mit.
"Relativ ruhig"
Vorerst sei die Situation aber "relativ ruhig". Auf Fotos in Sozialen Medien war zu sehen, wie Flüchtlinge mit deutschen und griechischen Fahnen in Richtung Stacheldrahtzaun zogen. Obwohl die Grenze zu Mazedonien seit mehr als einem Monat geschlossen ist, harren weiter mehr als 11.000 Flüchtlinge in einem improvisierten Lager bei Idomeni aus und hoffen auf eine Weiterreise nach Österreich und Deutschland.
MSF hatte sich als einzige internationale NGO am Sonntag nicht aus dem provisorischen Camp zurückgezogen, nachdem die Situation eskalierte und Hunderte Migranten den Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Mazedonien gestürmt hatten. Nach eigenen Angaben behandelte MSF 300 Verletzte, davon 200 durch Tränengas und 30 durch Gummigeschoße Verwundete. Darunter seien auch "30 Kinder im Alter zwischen fünf und 15 Jahren" gewesen sowie "drei Kinder mit Kopfverletzungen durch Gummigeschoße", teile die Organisation am Montag in einer Aussendung mit.
Das mazedonische Innenministerium erklärte seinerseits, 14 mazedonische Polizisten und neun Soldaten seien verletzt worden. Unterstützung bekommt Mazedonien aktuell auch von neun österreichischen Polizisten. Deren Aufgabe sei jedoch nicht der Grenzschutz, sondern die Registrierung von ankommenden Flüchtlingen, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck auf APA-Anfrage. "Österreichische Polizisten waren am Einsatz der mazedonischen Polizei, bei dem Tränengas angewendet wurden, nicht beteiligt." Da aufgrund der Grenzsperre aktuell kaum Flüchtlinge in Mazedonien ankämen, würde der Einsatz der Österreicher zudem "evaluiert".
Lautsprecherdurchsagen
Ausgelöst wurde der Ansturm auf die mazedonische Grenze am Sonntag von Lautsprecherdurchsagen auf Arabisch, die vermeldete hätten, die Grenze zu Mazedonien sei offen, sagte der Rotkreuz-Helfer Gottfried Staufer im APA-Gespräch. Immer wieder würden "kleine Gruppen von Aktivisten" bewusst Falschinformationen verbreiten, um "Unruhe zu erzeugen und die Aufmerksamkeit der Medien nicht zu verlieren".
Verfehlte Informationspolitik
Die Ursache für die Eskalation sieht Staufer aber auch in einer verfehlten Informationspolitik von offizieller Seite: "Es gibt sehr, sehr wenig Information und daher klammern sich die Menschen an alle möglichen Infos, auch wenn sie falsch sind." Viele Migranten wüssten nicht einmal was Asyl ist und hätten keine Ahnung, an wen sie sich wenden könnten.
Auch deshalb ist es den griechischen Behörden bisher nicht gelungen, die Flüchtlinge zur Übersiedlung in andere Camps im Landesinneren zu bewegen. Nun stehe die Situation aber auf "Messers Schneide" sagte der Bürgermeister der Region, Christos Goudenoudis, am Montag dem Fernsehsender "Skai". Idomeni müsse bis Ende des Monats geräumt werden, sonst könnte es zu noch schlimmeren Zwischenfällen kommen. "Was Sie heute sehen, sind die Jihadisten von morgen", schlug Bürgerschutzminister Nikos Toskas noch drastischere Töne an und warnte vor einer Radikalisierung wütender Migranten.
Verstimmung
Für Verstimmung sorgten die Vorfälle vom Sonntag auch zwischen Griechenland und Mazedonien, die wegen des ungelösten Namenstreits - Athen lehnt aus Furcht vor Unabhängigkeitsbestrebungen seiner Provinz "Mazedonien" den Namen des Nachbarlandes ab - ohnehin nicht gut aufeinander zu sprechen sind. "Mit solchem Verhalten gegen Flüchtlinge hat das Nachbarland weder Platz in der EU, noch in der NATO", sagte etwa der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos. Von einer "Schade für die europäische Kultur", sprach wenig später Premier Alexis Tsipras. "Ich erwarte mir von den anderen europäischen Staaten und vom UN-Flüchtlingshochkommissariat, dass sie sich dazu äußern", zitierte ihn die Nachrichtenagentur AFP. Auch der Leiter des griechischen Verbindungsbüros in Skopje Theorahis Lalakos legte laut mazedonischen Medienberichten offiziell Beschwerde bei der mazedonischen Regierung ein.