Bisher hat Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal geschwiegen. Kritiker erwarten von ihm eine Bitte um Vergebung.
Papst Benedikt XVI. könnte sich an diesem Sonntag direkt zu dem Missbrauchsskandal zu äußern: Mit Spannung erwarten viele seine Rede beim traditionellen Angelus-Gebet am Ende der Messe in Rom. Dabei schneidet das Kirchenoberhaupt der Katholiken immer wieder auch politische und aktuelle Probleme an. Nach der Papst-Audienz des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, am Freitag wurde lediglich berichtet, dass der Pontifex erschüttert sei.
Wo bleibt Bitte um Vergebung?
"Wir sind enttäuscht, dass der
Papst bisher kein mitfühlendes Wort für eine Bitte um Vergebung und
Versöhnung gefunden hat", sagte der Sprecher der Reformbewegung "Wir sind
Kirche", Christian Weisner. Der Vatikan wandte sich unterdessen gegen
direkte Angriffe auf den Papst: "In den vergangene Tagen gab es einige, die
mit einer gewissen Verbissenheit in Regensburg und in München nach Elementen
gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchsfragen mit
hineinzuziehen", sagte Sprecher Federico Lombardi in Rom.
Ratzinger hat zugestimmt
"Wir sind Kirche" sieht dagegen
Erklärungsbedarf zu Joseph Ratzingers Zeit als Münchner Erzbischof 1977 bis
1982. Am Freitag hatte das Bistum Informationen bestätigt, dass Ratzinger
damals im zuständigen Gremium zustimmte, einen vorbelasteten
Priesters von Essen nach München zu versetzen. Später schickte das Bistum
den Mann in eine Gemeinde, in der er erneut Kinder missbrauchte und deshalb
auch verurteilt wurde.
Georg leitete Domspatzen
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"
berichtete, Missbrauch bei den weltbekannten Regensburger
Domspatzen, die Papst-Bruder Georg Ratzinger von 1964 bis 1994 leitete,
habe es bis in die 90er Jahre hinein gegeben. Bisher ging es dort um
Vorwürfe aus den 50er und 60er Jahren. Ein Ex-Schüler sagte, er sei in dem
Internat bis 1992 von älteren Schülern vergewaltigt worden. In der Wohnung
eines Präfekten sei es zu Verkehr zwischen Schülern gekommen. Georg
Ratzinger habe er als "extrem cholerisch und jähzornig" erlebt.
Aktueller Bischof will aufklären
Der Erzbischof von München
und Freising, Reinhard Marx, kündigte eine umfassende Aufarbeitung und
Gerechtigkeit für die Opfer an. Marx sagte "Bild am Sonntag": "Unsere Linie
ist: Aufklärung und Aufarbeitung! Die Täter müssen sich ihrer Verantwortung
stellen. Den Opfern soll Gerechtigkeit widerfahren. Wir sehen uns darin von
Papst Benedikt XVI. bestärkt." Marx fügte hinzu: "Wir wollen uns gemeinsam
mit anderen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen der vor uns
liegenden Aufgabe stellen, Missbrauch zu verhindern, die Prävention zu
verstärken und die Sorge um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in den
Mittelpunkt zu stellen."
Der Erzbischof zeigte sich bestürzt über die bekanntgewordenen Vorfälle: "Als Volk Gottes erschrecken wir darüber, dass in unserer Mitte diese schrecklichen Vergehen passiert sind. Es gilt, diese schwere Stunde der Kirche als geistliche Herausforderung zu sehen."
Die deutsche FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte mehr Details zu den Skandalen, die in den vergangenen Wochen ans Licht kamen. "Um das Ausmaß der Missbrauchsfälle vollständig erfassen und bewerten zu können, wäre es hilfreich, wenn dazu möglichst umfassendes und belastbares Zahlenmaterial von den betroffenen Institutionen vorgelegt würde", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".