Erstmals Langzeitgift Cäsium in Fischen vor AKW entdeckt.
Die Angst vor langfristiger Verseuchung der Nahrungskette durch die Atomkatastrophe im Fukushima-AKW wächst: Jetzt wurden erstmals mit dem radioaktiven Langzeitgift Cäsium-137 verseuchte Fische entdeckt. Die kleinen Sandaale, die getrocknet als Snacks verzehrt werden, wurden südlich des Horror-AKWs vor der Stadt Kitaibaraki gefangen. Die Belastung lag bei 526 Becquerel, der gesetzliche Höchstwert ist 500. Cäsium verliert nur alle 30 Jahre die Hälfte seiner Potenz, bleibt jahrhundertelang giftig. Cäsium agiert im Fischkörper wie Kalium, wird von den Muskeln absorbiert. Das Gift Strontium landet in den Knochen.
Gift-Sushi?
Eine Verstrahlung des ganzen Meeres wird befürchtet: Über Plankton, Muscheln und Algen geraten die Isotope in die Fische.
Die Verseuchung der See ist ein schwerer Schlag für Japans Fischindustrie – in einem Land, berühmt für seine frischen Sushi-Köstlichkeiten: Tokio untersagte den Verkauf aus der AKW-Region vorerst gänzlich. Händler bezahlen Fischern nur mehr ein Drittel für die Fänge. Russland und Indien stoppten bereits alle Fischimporte, die meisten Staaten, darunter auch Österreich, verschärften die Kontrollen bei Nahrungsmittelimporten aus Japan.
Neuer GAU möglich
Dem AKW-Betreiber Tepco gelang zwar, das Leck vor Reaktor zwei zu stopfen, aus dem Wasser mit Jod-Werten 7,5 Millionen Mal über normal schoss. Doch 12.500 Tonnen an leichter verstrahltem Löschwasser werden gerade ins Meer gepumpt.
Rund 60.000 Tonnen lagern noch in den Reaktorruinen. US-Experten, die Tepco-Techniker berieten, warnen in einem brisanten, von der New York Times publizierten Report an die US-Atomaufsicht, dass die Gefahr eines Super-GAUs keineswegs gebannt sei: Die Reaktorummantelungen könnten durch den Druck des Kühlwassers bersten, sogar neue Wasserstoffexplosionen seien möglich.
Stickstoff soll Wasserstoff-Explosionen verhindern
Die Arbeiter im zerstörten Atomkraftwerk Fukushima Eins haben unterdessen am Donnerstag weiter Stickstoff in das Reaktorgehäuse von Kraftwerksblock 1 gefüllt. Damit wollen sie verhindern, dass es in den zerstörten Reaktorgebäuden erneut zu Wasserstoff-Explosionen wie kurz nach der Havarie kommt. Die Arbeiten waren in der Nacht gestartet worden und sollen auch in die kommenden Tagen fortgesetzt werden, wie der Energiekonzern Tepco mitteilte. Auch in den Reaktorblöcken 2 und 3 werde Stickstoff eingefüllt, hieß es. Eine unmittelbare Explosionsgefahr bestehe aber derzeit nicht.
Opfer kurzzeitig in die Sperrzone
Die japanische Regierung überlegt, den geflohenen Menschen eine kurze Rückkehr in die Atom-Sperrzone zu erlauben. Atomexperten prüften derzeit, wie die Sicherheit zu gewährleisten sei, damit die Menschen an ihren früheren Wohnorten schnell noch Wertgegenstände und andere Dinge herausholen können. Die Regierung hat im Umkreis von 20 Kilometern um das havarierte Kernkraftwerk eine Evakuierungszone eingerichtet.
"Nach allem, was wir über die Lage wissen, wären die Leute dabei keinen besonderen Risiken ausgesetzt", urteilte der Wiener Strahlenexperte Edgar Selzer gegenüber der APA. "Die Reichweite der Strahlung der radioaktiven Partikel ist sehr gering", erklärte Selzer. "Wenn sich Partikel auf dem Dach eines Hauses befinden, werden sie Menschen im Gebäude nicht gefährden."
Kaiserpaar besucht Katastrophengebiet
Das japanische Kaiserpaar will die Katastrophenregion im Nordosten des Landes besuchen, wie das Haushofamt am Donnerstag bekannt gab. Staatsoberhaupt Akihito und seine Frau Michiko wollten den Menschen persönlich Mut machen. Den beiden sei es dabei wichtig, dass sie mit ihrem Besuch niemandem zur Last fallen.
Zunächst soll das Kaiserpaar am Freitag ein Auffanglager in der Tokioter Nachbarprovinz Saitama besuchen. Dort sind rund 1.200 Flüchtlinge aus Futaba in der Provinz Fukushima in einer früheren Schule untergekommen. In Futaba steht das zerstörte Kernkraftwerk Fukushima Eins.