Eskalation in Washington

Trump-Anhänger stürmen Kapitol: Vier Tote und 52 Festnahmen

06.01.2021

Drei Menschen starben infolge medizinischer Notfälle, eine Frau nach Schussverletzung

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Bei den Ausschreitungen von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump am US-Kapitol sind nach Angaben der Polizei vier Menschen ums Leben gekommen. Eine Frau sei am Mittwoch (Ortszeit) im Kongressgebäude von einem Polizisten angeschossen worden und später im Krankenhaus gestorben, sagte der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, in der Nacht zu Donnerstag.
 
"Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet. Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten." Contee machte keine Angaben dazu, wer die Frau war, die im Kapitol angeschossen wurde.
 
"Das ist ein tragischer Vorfall, und ich kondoliere der Familie und den Freunden des Opfers", sagte er. Der Vorfall werde intern von der Polizei untersucht. Unklar blieb auch, um welche medizinischen Notfälle es sich handelte.
 
 

Die wichtigsten Fakten

  • Tausende Trump-Anhänger demonstrierten am Mittwoch vor dem US-Kapitol
  • Einige hundert radikale Trump-Fans stürmten teils bewaffnet das Kapitol
  • Derzeit gibt es viert Tote und mehrere Verletzte
  • Trump zu Randalierern: "Geht heim. Wahl wurde uns gestohlen, aber geht heim. Wir lieben euch"
  • Polizei fand Sprengsätze nahe des Kapitols und vor Parteizentrale der Republikaner
  • US-Kongress sollte Joe Biden als US-Präsident bestätigen, Sitzung wurde unterbrochen & fortgesetzt

Tote & Verletzte: Frau angeschossen - tot

Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen abrupt unterbrechen, die Parlamentssäle wurden geräumt. Eine Person wurde im Gebäude angeschossen. Polizeichef Robert Contee sagte, es habe sich um "einen Zivilisten" gehandelt, Medien berichteten, eine Frau sei in die Brust geschossen worden. Wie mehrere US-Sender berichten soll die Frau später im Spital verstorben sein.  Der Sender NBC News berichtete unter Berufung auf Sicherheitskräfte zudem von mehreren Verletzten. Laut dem Weißem Haus und den Gouverneuren von Virginia und Maryland sollte deren Nationalgarde zum Einsatz kommen. "Auf Anweisung von Präsident Donald Trump ist die Nationalgarde zusammen mit anderen Bundesschutzdiensten unterwegs", schrieb dagegen Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany auf Twitter. Die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, ordnete angesichts der Proteste eine Ausgangssperre an - vom frühen Mittwochabend (Ortszeit) bis zum frühen Donnerstagmorgen.


© SAUL LOEB / AFP

Trump zu Mob: Wahl wurde uns gestohlen - aber geht nach Hause

Trump hat die Demonstranten am Kapitol aufgefordert, friedlich nach Hause zu gehen - aber gleichzeitig neuerlich Öl ins Feuer gegossen, indem er wiederholte: "Diese Wahl wurde mir, wurde uns gestohlen". Er verstehe den Ärger der "guten Menschen", aber "wir müssen Frieden haben, wir müssen Recht und Ordnung haben" und die Sicherheitskräfte respektieren, sagte Trump am Mittwoch in einer auf Twitter verbreiteten Videobotschaft.


Sprengkörper bei Kapitol und Parteizentrale gefunden

Nach dem Eindringen von Unterstützern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump ins Kapitol ist in der Nähe des Parlamentsgebäudes ein Sprengkörper gefunden worden. Der Gegenstand sei allerdings nicht mehr gefährlich, berichtete die US-Nachrichtenagentur AP am Mittwoch unter Verweis auf Behörden in der US-Hauptstadt Washington. Um was für einen Sprengsatz es sich genau handelte, blieb zunächst unklar.

Unterdessen berichtete die "New York Times" davon, dass auch bei der Parteizentrale der Republikaner eine Rohrbombe gefunden worden sei. Sie wurde demnach von Experten der Polizei zerstört. Die nahe gelegene Parteizentrale der Demokraten sei evakuiert worden, nachdem ein verdächtiges Paket entdeckt worden sei.
 

Fenster zerschlagen, Senatssaal besetzt

Die Lage war zunächst unübersichtlich. Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Demonstranten Fensterscheiben zerschlugen und sich so Zugang zum Gebäude verschafften. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden. Ein weiterer Eindringling legte die Füße auf den Schreibtisch der demokratischen Repräsentantenhaus-Vorsitzender Nancy Pelosi und hinterließ einen Zettel mit der Botschaft "Wir werden nicht nachgeben" (We won't back down). Abgeordnete, die sich in Sicherheit gebracht hatten, meldeten sich über die sozialen Medien oder per Telefonschalten im nationalen Fernsehen zu Wort. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger etwa nannte die Vorgänge bei CNN "ekelhaft" und "absolut verabscheuungswürdig".

 

 

 

Kongress sollte Biden-Sieg offziell bestätigen

Im Kapitol hatten sich das Repräsentantenhaus und der Senat am Mittwochmittag (Ortszeit) versammelt, um die Ergebnisse der Präsidentenwahl vom November offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren. Trump hatte die Präsidentschaftswahl mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden verloren. Er weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Trump behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bisher von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.

 

© APA/GEORG HOCHMUTH

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Trumps Spiel mit dem Feuer und der Sturm auf den Kongress

Trump rief zum Marsch auf das Kapitol auf

Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte seine haltlosen Wahlbetrugsbehauptungen wiederholt und seine Unterstützer dazu aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den "Diebstahl" der Wahl nicht gefallen zu lassen.
 

© Joseph Prezioso / AFP

Biden: "Unsere Demokratie wird angegriffen"

"In dieser Stunde wird unsere Demokratie angegriffen", reagierte der gewählte Präsident Biden in einer Fernsehansprache auf die Ereignisse. Er forderte Trump auf, vor die Kameras zu treten, seine Anhänger zurückzurufen und die Belagerung des Kapitols zu beenden. Der reagierte mit einer auf Twitter verbreiteten Video-Ansprache, in der er allerdings erneut seine unbelegte Behauptung wiederholte, die Wahl sei gestohlen worden. Dann äußerte er Verständnis für seine Anhänger: "Ich weiß wie ihr euch fühlt." Dennoch sei es jetzt wichtig, friedlich zu bleiben und nach Hause zu gehen.

 

© SAUL LOEB / AFP

Pence: "Dieser Angriff wird nicht toleriert"

Deutlicher wurde US-Vizepräsident Mike Pence. Trumps Stellvertreter schrieb auf Twitter: "Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen." Pence hatte die Kongresssitzung vor der Unterbrechung geleitet. Trump hatte ihn direkt dazu aufgerufen, sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses zu stellen - entgegen der gesetzlichen Vorgaben. Pence wies dieses Ansinnen jedoch zurück, was ihm wütenden Protest seines Chefs einbrachte.

 

© APA/GEORG HOCHMUTH

Zertifizierung eigentlich Formalie

Die Zertifizierung der Wahlergebnisse ist in den Vereinigten Staaten üblicherweise eine Formalie. Diverse Republikaner hatten jedoch im Voraus eine politische Störaktion angekündigt, bei der sie Einspruch gegen Ergebnisse aus den Bundesstaaten einlegen wollten. Trump wiederum hatte über Wochen diesen Tag der Kongresssitzung - ohne jegliche Grundlage - als letzte Möglichkeit dargestellt, den Wahlausgang noch umzustürzen. Am Wahlausgang ist aber nicht zu rütteln. Auch die politische Störaktion der Republikaner hatte von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg.
 

Proteste auch in anderen US-Bundesstaaten

 Auch in anderen US-Bundesstaaten protestierten Trump-Anhänger laut einem CNN-Bericht vor nationalen Parlamenten, allerdings in wesentlich kleinerer Zahl und meist friedlich. Derartige Proteste habe es in Georgia, Kansas, Colorado und Oregon gegeben.
 

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