Hunderte Menschen wurden bei Anti-Regierungsprotesten in der Türkei festgenommen.
Der inhaftierte Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu muss einem Medienbericht zufolge bis zu einer Verhandlung im Gefängnis bleiben. Das habe ein Gericht entschieden, meldete der türkische Sender A Haber am Sonntag. İmamoğlus Festnahme am Mittwoch hat die größten Straßenproteste in der Türkei seit mehr als zehn Jahren ausgelöst. Hunderte Menschen wurden dabei festgenommen. İmamoğlu gilt als aussichtsreichster Konkurrent von Langzeit-Machthaber Recep Tayyip Erdoğan.
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İmamoğlu war unter der Anschuldigung der Korruption und des Terrorismus inhaftiert worden - kur vor seiner mutmaßlichen Kür zum Präsidentschaftskandidaten bei der nächsten Wahl. İmamoğlu hat die Vorwürfe zurückgewiesen und sie als "unvorstellbare Beschuldigungen und Verleumdungen" bezeichnet. Die U-Haft wurde wegen des Korruptionsermittlungsstranges verhängt.

Hunderte Festnahmen
Bei Protesten gegen das Vorgehen der Justiz gegen İmamoğlu waren der türkischen Regierung zufolge zuvor erneut Hunderte Menschen festgenommen worden. Innenminister Ali Yerlikaya erklärte am Sonntag, 323 Personen seien in Gewahrsam genommen worden. "Keinerlei Versuch, die öffentliche Ordnung zu gefährden, wird geduldet", betonte der Minister. Bereits am Samstag waren über 300 Festnahmen gemeldet worden.

Seit Mittwoch sind Zehntausende Menschen in Istanbul, Ankara und anderen Städten gegen die Festnahme İmamoğlus auf die Straße gegangen. Die Polizei ging mit Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor, die ihrerseits Polizisten mit Knallkörpern und anderen Gegenständen bewarfen.

İmamoğlu ist der aussichtsreichste Konkurrent von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hatte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu die Untersuchungshaft gefordert. Konkret geht es demnach bei den Korruptionsermittlungen um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Ausschreibungsmanipulation. Bei den Terrorermittlungen geht es demnach um den Vorwurf einer Unterstützung der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Erdoğan-Wahlgegner soll fixiert werden
Am Sonntag sind die Mitglieder von İmamoğlus Partei CHP (Republikanische Volkspartei) aufgerufen, ihn zum Kandidaten für die nächste Präsidentenwahl zu bestimmen. Die CHP hat auch Nicht-Partei-Mitglieder aufgefordert, für İmamoğlu zu votieren, um den öffentlichen Widerstand gegen dessen Inhaftierung zu stärken. Die CHP hat mehr als 1,5 Millionen Mitglieder und lässt in allen 81 Provinzen der Türkei wählen. Die Abstimmung endet am Nachmittag.
Reguläre Präsidentenwahlen in der Türkei sind für 2028 angesetzt. Erdogan könnte sie jedoch vorziehen, um eine Begrenzung auf zwei Amtszeiten zu umgehen, falls er wieder antreten will. İmamoğlus Verhaftung ist der vorläufige Höhepunkt einer monatelangen juristischen Kampagne gegen Oppositionelle, die als Versuch kritisiert wird, deren Wahlchancen zu schmälern und abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück.