Unstimmigkeiten
EU-Flüchtlingsstreit: Merkel attackiert Kurz
14.09.2020
Die deutsche Kanzlerin soll in einer Parteisitzung die österreichische Haltung rund um die Aufnahme von Flüchtlingen kritisiert haben.
Im Gegensatz zu Österreich erklärte sich Deutschland dazu bereit 150 unbegleitete Minderjährige aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos aufzunehmen. Die unterschiedliche Haltung sorgt nun für einen kleine Unstimmigkeit, die sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer Attacke auf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) veranlasst.
Wie die "Bild" berichtet, soll Merkel am Montag in einer internen CDU-Präsidiumssitzung die österreichische Position in der Frage um eine europäische Flüchtlingspolitik als "nicht gut" bezeichnet haben. Auch die Haltung der Niederlande wurde kritisiert. Man könne beim Mitgliedsbeitrag keinen finanziellen Rabatt fordern und sich gleichzeitig bei der Verteilung der Migranten raushalten, soll die Kanzlerin gesagt haben.
Merkel: Gesamtkonzept für europäische Migrationspolitik
Merkel hat unterdessen Unterstützung zugesichert, wenn auf der griechischen Insel Lesbos ein neues Aufnahmezentrum eingerichtet werden soll. Eine Konzentration nur auf eine Zahl an Flüchtlingen, die Deutschland aufnehmen solle, sei "der falsche Ansatz", sagte Merkel am Montag in Berlin nach einer Videokonferenz mit Chinas Präsident Xi Jinping.
Sie reagierte damit offensichtlich auch auf die Forderung von SPD-Chefin Saskia Esken, umgehend eine hohe vierstellige Zahl an Flüchtlingen in Deutschland aufzunehmen.
Es gebe auf Lesbos 13.000 Menschen, die in einer sehr schwierigen Situation lebten, sagte Merkel. Davon seien 400 Minderjährige bereits aufs Festland gebracht worden. Nun stelle sich die Frage, wie es weitergehe. "Deutschland ist bereit, zu unterstützen, wenn es um den Aufbau eines neuen Aufnahmezentrums für Flüchtlinge auf Lesbos geht". Ein solches Zentrum müsse den Standards entsprechen. Die Situation in Moria sei nicht akzeptabel gewesen, sagte Merkel.
Athen habe Vorstellungen geäußert, "die ich sehr unterstütze", so Merkel. Demnach solle nicht mehr nur von griechischer Seite, sondern auch von europäischer Seite gehandelt werden. Das wäre jedenfalls ein Pilotprojekt, über das man nachdenken müsse. So lägen die Hoheitsrechte erst einmal bei Griechenland. Es müsse einen Vertrag geben, dass dort auch europäisch gehandelt werden könne. Sie hielte das für einen wirklichen wichtigen Schritt bei eine Europäisierung der Migrationspolitik, sagte Merkel.
Als Staat der EU mit Außengrenzen hat Griechenland laut Merkel sehr viel Verantwortung übernommen. "Deshalb hat Griechenland auch Unterstützung verdient", so die Kanzlerin. Diese solle möglichst europäisch organisiert sein. Da gehe es auch um die Frage, welcher Personenkreis besonders bedürftig sei und wen man zusätzlich aufnehmen könne. "All das muss in ein Paket gepackt werden. Es hat überhaupt keinen Sinn, jetzt nur über eine Zahl zu sprechen." Jeder wisse, dass die europäische Aufgabe der Migrationspolitik nicht allein von Deutschland gelöst werden könne.