Ohrfeige für Brüssel

EU-Parlament beerdigt Saatgut-Verordnung

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Eine überwältigende Mehrheit wies den umstrittenen Entwurf zurück.

Die umstrittene EU-Saatgutverordnung ist am Dienstag vom Europaparlament definitiv gekippt worden. Der Vorschlag der Kommission wurde mit einer überwältigenden Mehrheit von 650 Stimmen abgelehnt, bei 15 Gegenstimmen, ohne Enthaltungen. Kritiker der Verordnung beklagten, die EU-Regelung hätte zusätzliche Hürden für die Verbreitung gefährdeter Sorten geschaffen.

Eine Mehrheit von 511 Abgeordneten stimmte in der Schlussabstimmung auch dafür, das Verfahren in erster Lesung formal abzuschließen. Damit ist der Entwurf endgültig vom Tisch. Will die EU-Kommission an dem Vorhaben festhalten, die bisherigen zwölf EU-Richtlinien durch ein neues Gesetz zu ersetzen, müsste sie einen völlig neuen Vorschlag vorlegen.

Bis kurz vor der Abstimmung hatte es noch so ausgesehen, als könnte das EU-Parlament das Dossier nur an den zuständigen Agrarausschuss zurückweisen. In diesem Fall hätte das nächste EU-Parlament nach der Europawahl wieder auf die Saatgutverordnung zurückkommen müssen.

Abgeordnete forderten nach dem Votum den zuständigen EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg zum Rücktritt auf. Dieser hatte am Montag in Straßburg noch für eine Annahme des Entwurfes geworben. Die SPÖ Europaabgeordnete und sozialdemokratische Verhandlerin zu diesem Dossier, Karin Kadenbach, bezeichnete den Auftritt Borgs als "grenzwertig". Der EU-Kommissar habe seinen Kritikern unterstellt, den Entwurf nicht verstanden zu haben, sagte sie.

Als "Sieg der Vernunft" bezeichnete die ÖVP-Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger das Votum. "Die ÖVP hat gegen die Saatgutpläne gestimmt, weil damit Bürokratie und Kosten auf die heimischen Betriebe und die bäuerlichen Saatgutzüchter gehäuft würden. Auch die Saatgutvielfalt in Europa würde gefährdet und der Handel und Tausch seltener Saatgutsorten massiv erschwert", sagte Köstinger. "Der Vorschlag war zu industrielastig und wäre auf Kosten der Sortenvielfalt gegangen", sagte Kadenbach. Köstinger und Kadenbach hatten sich bereits in den zuständigen Ausschüssen für eine Zurückweisung eingesetzt.

Die grüne Vizefraktionschefin Ulrike Lunacek kritisierte, Gesundheitskommissar Tonio Borg ignoriere die parteiübergreifende Kritik. "Die Kommission muss nun endlich eine neue Vorlage machen, die Aspekte der Biodiversität ins Zentrum stellt, statt weiter vorwiegend auf einheitliches Saatgut zu setzen." Der Vorschlag der EU-Kommission zu der "desaströsen" Saatgutverordnung hätte es Landwirten und Kleingärtnern in Zukunft extrem erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, ihr eigenes Pflanzenmaterial weiter frei zu nutzen.

"Die Saatgut-Verordnung ist tot", begrüßte Iga Niznik von der Gesellschaft zur Erhaltung und Verbreitung der Kulturpflanzenvielfalt "Arche Noah" das Ergebnis. Niznik betonte, in Österreich hätten im Rahmen einer Kampagne von "Arche Noah" und "Global 2000" 400.000 Personen gegen den Plan der EU-Kommission unterschrieben, europaweit etwa 800.000 Menschen. Die Zulassung für seltene Sorten dürfe nicht auf Nischen beschränkt werden.

Heidemarie Porstner, Agrarsprecherin bei der Umweltschutzorganisation Global 2000, sagte, das Ergebnis würde zeigen, dass man die EU-Gesetzgebung mitgestalten könne. Lob gab es für den Einsatz der EU-Parlamentarierinnen Köstinger und Kadenbach.

"Arche Noah" habe rund 6.000 alte Sorten im Archiv, davon vor allem Gemüse, sagte die Expertin. Derzeit betreibe die Gesellschaft in Österreich eine Kooperation mit der Handelskette "Spar", im Rahmen derer etwa 20 Sorten verkauft würden. Dies wäre mit der EU-Saatgut-Verordnung nicht mehr möglich gewesen, sagte Niznik. Bauern hätten Saatgut ohne Auflagen nicht einmal mehr verschenken dürfen.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) zeigte sich in einer Aussendung über das Abstimmungsergebnis erfreut. Die abgelehnte Verordnung hätte zusätzlichen Verwaltungsaufwand gebracht und enthielt problematische Regelungen für selbstständige Produzenten. "Ich trete für weniger Bürokratie und mehr Vielfalt ein", betonte der Minister.

"Jetzt ist die Europäische Kommission gefordert, das Saatgutrecht so weiterzuentwickeln, dass es dem Schutz der Biodiversität, der weltweiten Ernährungssicherheit und den Rechten der Bäuerinnen und Bauern dient", forderte die Biobauern-Organisation "Bio Austria"

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