Die Europäische Kommission schlägt in einem am Mittwoch in Brüssel veröffentlichten Bericht eine Vertiefung der Beziehungen der EU und der Türkei in mehreren Bereichen vor
. "Die EU hat ein strategisches Interesse an einer stabilen Beziehung zur Türkei", erklärte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bei einer Pressekonferenz. EU-Kommissar Olivér Várhelyi fordert von den EU-Staaten Visaerleichterungen, vor allem für Geschäftstätige und Studierende.
Der Bericht schlägt weiters eine engere Zusammenarbeit in Bereichen wie Handel, Migration, Konnektivität, Energie, sowie eine Modernisierung der Zollunion vor. Borrell appelliert, die 2019 ausgesetzten "Dialoge auf hoher Ebene" zwischen der EU und der Türkei wieder aufzunehmen. Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte seien hier ein "integraler Bestandteil", wo es noch "Raum für Verbesserungen" gebe. Weiters müsse die Türkei die Umgehung der Sanktionen gegen Russland angehen.
Neustart der Beziehungen
Nach der Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Mai hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission beauftragt, Vorschläge für einen Neustart der Beziehungen zu machen. Diese sollen nun beim nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember in Brüssel diskutiert werden.
Borrell betonte die "konstruktivere Haltung" Ankaras. Es gebe aber "noch offene Fragen, die wir gemeinsam angehen müssen." Dies gelte auch für die Zypern-Frage. Die Position der EU habe sich hier nicht verändert. Der letzte Versuch, eine Einigung der geteilten Insel herbeizuführen, geht auf das Jahr 2017 zurück. Damals scheiterten die Gespräche zur Wiedervereinigung.
Zypern ist seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Die Republik Zypern gehört seit dem 1. Mai 2004 zur Europäischen Union, das EU-Recht findet im Nordteil der Insel aufgrund der Lage aber keine Anwendung.
"Es gibt mehr, was uns eint, als was uns trennt", betonte Oliver Varhelyi, Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik. Die Bemühungen zur Eindämmung der irregulären Migration müssten intensiviert werden, beispielsweise durch eine Verstärkung der Grenzkontrollen. Die Türkei sei aber nicht der "Hauptgrund für mehr Ankünfte über die Mittelmeerroute".
Die Türkei spiele "in fast jedem Konflikt eine Rolle", so Borrell zu den unterschiedlichen Meinungen Brüssels und Ankaras betreffend den Nahost-Krieg. "Wir kennen die türkische Position, die die Seite der Palästinenser stark unterstützt." Die EU sei nicht einverstanden mit der türkischen Sicht auf die Terrororganisation Hamas.
Der Bericht beschreibt den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei in Schlüsselbereichen und enthält Empfehlungen zur strategischen und zukunftsorientierten Weiterentwicklung der Beziehungen. Die Beitrittsverhandlungen sind hier kein Thema: Die Kommission hat am 8. November ihre Mitteilung zur Erweiterungspolitik 2023 und ihren Länderbericht zur Türkei vorgelegt, der auf den Stand des Beitrittsprozesses eingeht. Die 2005 begonnenen Gespräche mit der Türkei liegen wegen rechtsstaatlicher Defizite seit Jahren auf Eis.