Die dortige Waffenstationierung der Russen sorgt für Unbehagen im Westen. Was führt Putin im Schilde?
Im Streit um NATO-Aufrüstung in Osteuropa hat Russland Schiffsabwehrraketen in die Ostseeexklave Kaliningrad (ehemals Königsberg) verlegt. "Russland macht alles Nötige, um sich vor der Expansion der NATO an seiner Grenze zu schützen", kommentierte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau. Er bezeichnete die NATO als "aggressiven Block".
Die Allianz hatte bei ihrem Gipfel im Juli beschlossen, je 1.000 Soldaten nach Polen, Estland, Lettland und Litauen zu schicken.
Zuvor war bekannt geworden, dass die Streitkräfte Raketen vom Typ Bastion (NATO Code: SSC-5 "Stooge") zum Schutz der Küste nach Kaliningrad verlegt haben. Sie haben eine Reichweite von etwa 600 Kilometern. Die Marschflugkörper können in Überschallgeschwindigkeit abgeschossen werden.
Deutscher Bundestag als mögliches Ziel?
Diese Waffen können vor allem Schiffe von der polnischen bis zur schwedischen Küste erreichen. Auch Ziele im Norden Deutschlands sind möglich, wie Rügen oder Stralsund. Schiffe kommen Putins Waffen sehr entgegen, da sie am Meer ein leichtes Ziel sind. Aber auch markante Gebäude, die sich von ihrer Umgebung unterscheiden, sind für die russischen Raketen ein potenzielles Ziel. Wie der Sicherheits-Experte Gustav Gressel gegenüber„bild.de“ sagt, wären Hafenanlagen oder gar der deutsche Bundestag mit seiner Kuppel ein solchen Ziel.
Aber die Russen haben nicht nur im potenziellen Angriff aufgerüstet, sondern auch in der Defensive. In Kaliningrad steht das Raketenabwehrsystem S-400. Vor allem Transportmaschinen müssen davor zittern. Zudem machen der NATO und vor allem der USA die umstrittenen Iksander-Raketen Sorgen. Sie können mit Atomsprengköpfen bestückt werden.
Was sollen sie bewirken?
Nun stellt sich nicht nur die Frage wie die Waffen wirken können, sondern vor allem was sie bewirken sollen. Denn Experten sind sich sicher, dass dieses Manöver nichts mit reiner Verteidigung und Vorbeugung zu tun hat. Diese Stationierung in Kaliningrad hat vor allem einen Sinn: Abschreckung. Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sagt gegenüber der „Bild“: „Sie wollen ein Bedrohungsszenario aufbauen, um die Nato davon abzuhalten, in der Ostseeregion aufzurüsten und sich im postsowjetischen Raum weiter auszubreiten“. Die zukünftigen Entwicklungen sollen dadurch zugunsten der Russen beeinflusst werden. Besonders die Atomwaffen seien für die Russen eine Machtdemonstration. Hierbei lägen sie mit der NATO auf Augenhöhe, meint Meister. So können sie andere Schwächen ausgleichen.
Streit um Baltikum könnte eskalieren
Ex-NATO-General Hans-Lothar Domröse warnt vor Putins Militär. „Wenn sie wollen, können sie das Baltikum komplett vom Rest der Nato isolieren.“ Und wenn das Baltikum die Hilfe der NATO anfordert, so müsste sie die stationierten Waffen in Kalininrad ausschalten, allerdings wäre das ein Angriff auf russisches Territorium, meint Domröse. Somit würde dies über eine bloße Verteidigung des NATO-Gebiets hinausgehen.
Ein Szenario, das Gressel für durchaus wahrscheinlich hält. Er meint, dass Putin schon seit 2009 einen Einmarsch ins Baltikum plant. Denn so wie auch die Russen wissen, würde die NATO schlussendlich keine Eskalation oder gar einen Atomkrieg wegen des Baltikums riskieren. „Somit könnten sie den Westen in die Knie zwingen“, meint Gressel. Dennoch ist ein Einsatz von Atomwaffen seitens Russlands derzeit höchst unwahrscheinlich, da die globalen Auswirkungen nicht abzusehen sind.