Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB sollen nicht privatisiert werden.
Der frühere langjährige Schweizer Verkehrsminister (Bundesrat) Moritz Leuenberger sieht die Schweizer Staatsbahn SBB als "Identitätsmerkmal" der Schweiz. "Die Schweizer lieben ihre Bahn", erläutert er im Gespräch mit der APA in Wien. Eine Privatisierung der Schweizerischen Bundesbahnen oder von Teilen sei "kein Thema". "Das ist kein Renditeobjekt", betont der Sozialdemokrat. Die Bahn sei für den sozialen Zusammenhalt und für umweltverträgliche Verkehrspolitik mitverantwortlich. "Die SBB sind ein nachhaltiges Bindeglied der ganzen Gesellschaft. Das übergeben wir nicht privaten Investoren, die daraus Kapital schlagen wollen".
Keine Privatisierung der Schweizerischen Bundesbahnen
Zuweilen komme das Argument, ob ein privates Unternehmen den Bahnbetrieb vielleicht besser führen könne. Aber die SBB seien ohnehin nach unternehmerischen Grundsätzen organisiert und als AG mit einem Verwaltungsrat als Konzernleitung ausgestattet. "Die Schweizer Bahn wird effizient geführt, aber unter politischer Aufsicht." Als große Leistung nennt Leuenberger das Knotenkonzept der SBB: An den Knotenpunkten gilt der Taktfahrplan, so finden die Passagiere innerhalb von fünf Minuten eine Umsteigemöglichkeit.
Große Akzeptanz in der Bevölkerung
Die große Akzeptanz der Bahn bei den Schweizern sieht der langjährige Verkehrsminister, der 15 Jahre lang (1995 bis 2010) das Eidgenössische Departement für Verkehr (Verkehrsministerium) leitete, im Stolz auf die Ingenieurleistungen vor 100 Jahren in den Alpen begründet. Jedes Schweizer Schulkind fahre mindestens einmal mit der Klasse auf der Gotthardstrecke, "das wird mit Stolz zelebriert". Auch die Mehrsprachigkeit des Landes werde in den SBB widergespiegelt: Alles ist dreisprachig angeschrieben, auch die Durchsagen erfolgen in drei Sprachen. Ehrgeiz sieht Leuenberger auch als ein Motiv für die Eisenbahntransversale durch die Alpen: Die Schweizer wollten mit dem längsten Tunnel, dem Gotthard-Basistunnel, Weltspitze sein.
Autofahrer finanzieren die Bahn mit
Dass die Leistungen der Bahn auch bezahlt werden müssen, sei den Schweizer Stimmbürgern schon bewusst. Durch Maut und durch die Autofahrer werden die Bahnprojekte mitfinanziert. Sogar die Schweizer Automobilverbände seien damit einverstanden, dass ein Teil der Treibstoffabgabe in Bahnprojekte fließt, damit ein gutes Bahnangebot die Straßen entlaste. "Das war ein historischer Durchbruch". Kantone müssen den Personenverkehr mitbezahlen.
Leuenberger: "Auch Schweizer Bahnpolitik keine Idylle"
In der Praxis sei aber auch die Schweizer Bahnpolitik "keine Idylle", unterstreicht Leuenberger. Großen Wünschen aus der Bevölkerung stünden begrenzte Mittel gegenüber. "Wo immer ich als Verkehrsminister hingekommen bin, hat man von mir einen Tunnel verlangt". In langen Diskussionen wurden Projekte beschnitten. Im Parlament habe die rechtspopulistische SVP gegen große Bahnprojekte opponiert. Letztlich finde der Bahnausbau dann in direkter Demokratie meistens die Zustimmung der Stimmbürger: Abgestimmt werde bei den Vorlagen nämlich nicht über die SBB, sondern über die Finanzierung von konkreten Tunneln und Strecken. Dadurch werde die Zuordnung der Mittel sichtbar. "Die Bahn ist kein Fass ohne Boden."
Schweizer Bahnmarkt laut Ex-Verkehrsminister nicht abgeschottet
Der Schweizer Bahnmarkt sei keineswegs abgeschottet, die Strecken würden auch ausgeschrieben, betont der frühere Minister. Das ergebe sich aus dem Bahnabkommen mit der EU. Der Wettbewerb entwickle sich dabei manchmal "fast ruinös". Die Deutsche Bahn sei mit einem Joint Venture in der Schweiz unterwegs, auch italienische Züge fahren. Im Wettbewerb würden auch billige Lokführer aus Polen auf Schweizer Strecken eingesetzt, was dann zum Arbeitskonflikt mit den teureren SBB-Lokführern führe. Als Verkehrsminister habe er in einer Gesamtbetrachtung immer den Hauptkonkurrenten für die Bahn in der Straße gesehen. Wenn die Konkurrenz verschiedener Bahnunternehmen zur Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene führe, sei ihm das recht gewesen.
Ohne Bahn steht die ganze Schweiz im Stau
Das stärkste Argument für die Schiene sieht Leuenberger in umweltpolitischen und raumplanerischen Gründen: "Wenn nur ein Zehntel der Pendlerströme auf der Bahn wieder auf die Straße kommt, ist die ganze Schweiz verstopft".