Naher Osten

Experte: Israel will Hisbollah zum Einlenken bringen

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Israel hat nach Einschätzung des Nahost-Experten Jan Busse ebenso wie der Iran derzeit kein Interesse an einem "umfassenden regionalen Krieg".  

"Die Gefahr besteht natürlich, dass es zu einem umfassenden regionalen Krieg kommt", sagte der Politikwissenschaftler von der Bundeswehr-Universität München im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Die militärische Eskalation zwischen Israel und der pro-iranischen Hisbollah im Libanon sei aber "noch kein offener Krieg".

Israels Ziel sei es vielmehr, die Schiitenmiliz "durch eine sukzessive Eskalation zum Einlenken" zu bewegen. Zwar sei die Lage an der Grenze zum Libanon "extrem angespannt". Dies habe die "deutliche Eskalation" in den vergangenen Tage gezeigt. Aus Busses Sicht bereitet Israel aber derzeit "noch keine Bodenoffensive" vor. Mit dem Versuch, die Hisbollah durch militärischen Druck zu einer Einigung "auf eine Form von Waffenstillstand" zu bewegen, will Israel nach Busses Einschätzung die Situation im Norden vielmehr "entkoppeln von der Situation im Gazastreifen".

Die Hisbollah habe sich einer "Einheit der Arenen" verschrieben, sagte Busse mit Blick auf die vom Iran angeführte sogenannte Achse des Widerstandes, zu der sich auch die Houthi-Miliz im Jemen und schiitische Gruppierungen in Syrien und im Irak zählen. Deren Ziel sei die Bekämpfung Israels und der Raketenbeschuss auf Israel zur Unterstützung der verbündeten Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen.

 

Biden stark engagiert

Die internationalen Bemühungen um diplomatische Lösungen bewertet der Nahost-Experte grundsätzlich positiv. Insbesondere die US-Regierung von Präsident Joe Biden habe sich hier in den vergangenen Monaten "sehr, sehr stark engagiert", unter anderem mit der Ernennung des Sondergesandten Amos Hochstein. Zuletzt warnte Biden am Dienstag vor einem "umfassenden Krieg" im Libanon und forderte, mit den diplomatischen Bemühungen nicht nachzulassen.

Seit dem beispiellosen Angriff der militant-islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen haben sich die regionalen Spannungen deutlich verschärft. Israels Norden steht seitdem unter Dauerbeschuss durch die mit der Hamas verbündete Hisbollah und reagiert darauf mit Gegenangriffen im Libanon. Mehrere zehntausend Menschen auf beiden Seiten der Grenze mussten ihr Zuhause verlassen. Laut jüngsten Äußerungen von UN-Generalsekretär António Guterres steht der Libanon "am Rande des Abgrunds".

Zunehmende Eskalation

In den vergangenen Tagen nahm der Konflikt noch einmal deutlich an Intensität zu. Zu seiner Verschärfung hatten Mitte September die Tötung mehrerer hochrangiger Hisbollah-Kommandeure durch Israel sowie die Explosionen von hunderten Pagern und Walkie-Talkies von Hisbollah-Mitgliedern beigetragen, bei denen 39 Menschen getötet und fast 3000 weitere verletzt wurden. Zuletzt startete Israel zudem mehrere massive Angriffswellen gegen die Hisbollah.

Weshalb sich die Appelle zur Konfliktentschärfung zuletzt primär an Israel richteten, erklärt Busse zum einen mit einem "viel engeren Zugang" der internationalen Gemeinschaft zu Israel. Daraus resultiere die Hoffnung, "dass Israel eher darauf hört".

Zum anderen erwecke Israel derzeit den Anschein, gegenüber der Hisbollah "die Konfrontation zu suchen". Den Grund dafür sieht der Experte in der jüngst neben der Geisel-Befreiung und der Zerstörung der Hamas zum zusätzlichen Kriegsziel erklärten "Rückkehr der 60.000 bis 70.000 Israelis, die seit Monaten aus dem Norden Israels wegen des Raketenbeschusses durch die Hisbollah evakuiert werden mussten".

Während Israel versuche, diese Situation militärisch zu lösen, habe die Hisbollah ihrerseits "zumindest potenziell" ein Ende des Raketenbeschusses in Aussicht gestellt, sollte es wiederum zu einer Waffenruhe im Gazastreifen kommen. Hier sieht Busse allerdings derzeit "keinerlei Fortschritte". "Wir sind extrem weit entfernt von einem Waffenstillstand und damit auch von einer Befreiung der verbliebenen Geiseln im Gazastreifen", sagte er.

Aus dem Iran kommen bezüglich einer befürchteten regionalen Eskalation aus Busses Sicht "sehr gemischte Signale". Nach seiner Einschätzung hat Teheran "aktuell kein Interesse an einem offenen, direkten Krieg mit Israel". "Der Iran ist selbst innenpolitisch stark geschwächt, es gibt immer wieder Unruhen, die Wirtschaft ist desolat." Zudem sei es für die Führung in Teheran in der Vergangenheit "immer sehr komfortabel" gewesen, "diesen Schattenkrieg gegen Israel seinen Vasallen" wie der Hisbollah und der Hamas zu überlassen.

Zugleich gebe es aber im Iran nun mit Masoud Pezeshkian einen neuen Präsidenten, der bereits Interesse an einer Neuverhandlung des Atomabkommens signalisiert habe. Aus Busses Sicht wäre die internationale Gemeinschaft "gut beraten, sich zumindest diese Vorschläge einmal anzuhören und zu schauen, ob es da vielleicht Potenzial auf Wandel gibt im Iran".

(Von Katharina Schmidt-Hirschfelder/AFP)

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