Nach dem klaren Rechtsruck in Italien verschiebt sich in Europa das Kräfteverhältnis.
Mit dem Sieg der Rechtsaußen-Politikerin Giorgia Meloni seien die Gegner des europäischen Integrationsprozesses deutlich gestärkt worden. "Italien hat nun ein Erpressungspotenzial in der Hand gegenüber der EU", meint der Politologe Günther Pallaver am Montag gegenüber der APA. Gemeinsam mit Polen und Ungarn könne der Gründungsstaat der Europäischen Union politische Entscheidungen blockieren.
"Der Sieg Melonis hat auch einen symbolischen Wert für alle Parteien, die gegen Europa auftreten, das darf man nicht unterschätzen", betont der emeritierte Professor an der Universität Innsbruck. Dies gelte insbesondere, weil Italien auch einer der Gründerstaaten der Europäischen Union sei. Bei Entscheidungen in Politikfeldern, wo eine qualifizierte Mehrheit nötig sei, habe man bisher Ungarn und Polen überstimmen können. Mit Italien sei das nicht mehr möglich. "Zu dritt könnten sie nun zusätzliche Politikfelder blockieren, das ist nicht gerade was positives", so der Experte. Das betreffe etwa auch die Außenpolitik.
Pro-atlantische Position
In Bezug auf Russland ist kein radikaler Kurswechsel Italiens zu erwarten. "Meloni habe eine sehr eindeutige pro-atlantische Position eingenommen, und jene, die Russland am nächstens standen, sind abgewatscht worden", so der Politikwissenschafter mit Blick auf Lega-Chef Matteo Salvini aber auch Forza Italia-Vorsitzenden Silvio Berlusconi, die beide nur zwischen 8 und 9 Prozent der Stimmen und damit gemeinsam weniger als die postfaschistische Fratelli d ́Italia von Meloni erreichten.
Nicht unterschätzen dürfe man die "autoritären Tendenzen" der Fratelli d ́ Italia, meint Pallaver. Dabei gehe es um die Frage der Grundrechte, um das Recht auf Abtreibung und die Rechte sexueller Minderheiten sowie die Einbürgerung von Migranten. Meloni habe zwar "vor der Wahl Kreide geschluckt" und sei betont moderat aufgetreten. Aber man dürfe nicht vergessen, dass sie von ihren Vorstellungen der Nation, der die Würde zurückgegeben werden müsse, und der Souveränität Italiens gegenüber der EU nicht abgerückt sei.
"Innerhalb der Mitte-Rechts-Koalition wird Meloni nun die erste Geige spielen und vorgeben, wo es lang geht", prognostiziert Pallver angesichts des überraschend schwachen Abschneidens ihrer Bündnispartner. "Zudem zeichnet sich ab, dass die Tage von Salvini gezählt sind."