Auch in Österreich
Experte: "US-Spione in Ministerien"
14.07.2014
Österreichs Top-Geheimdienst-Experte über ausländische Agenten und Spionage in Österreich.
Der Spionageskandal ließ das Verhältnis der USA zu Deutschland erkalten. Österreich spielt eine zentrale Rolle: Agenten der Wiener US-Botschaft sollen den deutschen Nachrichtendienst-Mitarbeiter Markus R. geführt haben. Bei Treffen in Salzburg soll Geld für brisante Informationen bezahlt worden sein. Außenminister Sebastian Kurz fordert „Antworten aus Washington“. Jetzt ermittelt der Verfassungsschutz.
Experte: »Es ist Praxis, dass Geld für Infos fließt«
Doch wie verbreitet ist Spionage wirklich in Österreich? ÖSTERREICH sprach mit Gert R. Polli, ehemaliger Direktor des Verfassungsschutzes und Spionage-Experte: „Die Spione sind mitten unter uns, mehr noch: Spionage ist Teil der politischen Landschaft in Österreich.“
Informanten und Quellen würden auch in österreichischen Ministerien sitzen. „Es beginnt mit einem Gespräch, später werden Infos ausgetauscht, bis Geld fließt.“ Vielen sei nicht bewusst, als Quelle geführt zu werden. Problem: „Das Strafrecht hat kein wirksames Instrument dagegen“, meint Experte Polli.
Botschaftsmitarbeiter der USA, Russlands, Frankreichs oder anderer EU-Länder würden neben ihrer diplomatischen Tätigkeit Infos nachrichtendienstlich beschaffen. „Es geht um Themen der nationalen Sicherheit, Wirtschaft und Politik“, erklärt Polli. „Es wäre naiv, anzunehmen, dass Schlüsselministerien, Politiker oder staatsnahe Betriebe nicht im Fokus der ausländischen Informationsbeschaffung stehen.“
ÖSTERREICH: Überrascht Sie der US-Spionageskandal?
Gert R. Polli: Nein, ich war nur erstaunt über den späten Zeitpunkt und die Naivität der dortigen Spionageabwehr. Salzburg war und ist durch die geografische Nähe immer Ort für Treffen des US-Geheimdienstes, in Wien gibt es eine hohe Konzentration internationaler Organisationen. Leute werden täglich eingekauft und erpresst. Es geht um nationale Sicherheit.
ÖSTERREICH: Passiert Spionage auch in Ministerien?
Polli: Ja. Es wäre naiv, anzunehmen, dass Schlüsselministerien, Politiker oder staatsnahe Betriebe nicht durch Spionage betroffen sind. Informanten und Quellen sitzen ebenso in Ministerien und sind sich sehr oft ihrer Rolle nicht bewusst, als Quelle geführt zu werden. Es gibt auch anderer Fälle mit langjährigen Abhängigkeiten und finanziellen Anreizen. Österreich hat aber auch den Ruf, dass Informationen quasi im Kaffeehaus frei Haus geliefert werden.