Experte warnt:
Gewinnt Erdogan, droht Eskalation im Nahen Osten
20.03.2017
Das bevorstehende Referendum hat nicht nur Auswirkungen auf die Türkei, sondern auf die Welt.
Das Referendum rund um das umstrittene Präsidialsystem des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan spaltet nicht nur die Türkei, sondern zündelt auch ordentlich in Europa. Am 16. April stimmt die Türkei ab, ob Erdogan an fast unbegrenzte Macht kommen wird. Seine Reform sieht vor, dass er als Präsident dann unter anderem Gesetze per Dekret erlassen kann und das ohne Zustimmung des Parlaments. Zudem soll er persönlich Minister und Richter ernennen dürfen. Diese Forderungen sind nicht nur in der westlichen Welt umstritten, sondern auch innerhalb der Türkei. Ein klares Ja für seine Reform darf Erdogan nicht erwarten, wie die letzten Umfragen zeigen, soll es ein durchaus knapper Ausgang werden. Deshalb wird umso härter im Ausland um Stimmen geworben.
Der Streit um Auftritte türkischer Politiker, die bei Auslandstürken um nötige Stimmen werben wollen, sorgte vor allem in den Niederlanden für miese Stimmung. Die Situation eskalierte sogar soweit, dass die türkische Familienministerin ausgewiesen wurde und Erdogan den Holländern Nazi-Vergleiche an den Kopf warf.
Sollte die Ja-Seite beim Referendum gewinnen, zeichnet der Nahost-Experte Abdel Mottaleb El-Husseini ein düsteres Bild für den arabischen Raum. Vor allem zwei Brandherde würden daraus resultieren, die den Nahen Osten in Flammen setzen.
Kurden
Zum einen würde sich laut El-Husseini der Konflikt mit den Kurden in der Türkei weiter zuspitzen. „Mit seinen erweiterten Möglichkeiten und im Glauben, die Türken stehen hinter ihm, wird Erdogan alle Bestrebungen der Kurden nach Autonomie und Rechten zu Grabe tragen“, meint der Experte. Dadurch dass die Versöhnung in noch weitere Ferne rückt, dürfte auch die Gewalt zunehmen. Die kurdische Antwort auf die Politik Erdogans dürfte demnach Terror sein und das nicht nur in der Türkei selbst, sondern auch in Syrien und im Irak. „Schon jetzt sind türkische Streitkräfte an der Grenze zum Irak stationiert. Erdogan setzt sich dabei über den Willen des Iraks hinweg. Die Truppen sind angeblich nur dafür da, die kurdische PKK vor Ort zu bekämpfen, aber eigentlich geht es um eine Besetzung“, sagt El-Husseini gegenüber dem FOCUS Online.
Bündnis
Zum anderen könnte es zudem zu einer verheerenden Koalition im arabischen Raum kommen. Bisher dominieren die sunnitischen Golfstaaten der schiitische Iran. Sollte Erdogan seine Macht durch diese Verfassungsreform stärken können, werde dies sich ändern, prognostiziert der Experte. „Der türkische Präsident will ein sunnitisches Bündnis, also mit Katar, Saudi-Arabien und Jordanien – und selbst sein Führer werden.“ Dies erkläre auch seine konfliktreiche Außenpolitik.
Die Rolle der USA
Miteinmischen könnten sich dann die USA. Sie könnten die Verschiebungen der Macht nutzen und dem Iran in die Quere kommen. Zwar würden sie die Atommacht nie direkt angreifen, dennoch aber die Gunst eines iranischen Gegenspielers namens Erdogan nutzen. El-Husseini fasst zusammen, dass Erdogan mit seinem Streben nach Macht innerhalb der internationalen Bühne nicht nur die Stabilität und den Frieden in seinem Land aufs Spiel setzt, sondern auch in der gesamten Region.