Der Konflikt zwischen den beiden Atommächten Indien und Pakistan droht zu eskalieren.
Nach dem blutigen Anschlag auf indische Touristen in Kaschmir hat es nach indischen Angaben erneut Schusswechsel zwischen indischen und pakistanischen Soldaten in der von beiden Ländern beanspruchten Region gegeben. Von mehreren pakistanischen Armeeposten seien in der Nacht zu Samstag "unprovoziert" Schüsse über die durch Kaschmir verlaufende Kontrolllinie abgegeben worden, erklärte die indische Armee. Sie habe darauf "angemessen" reagiert und zurückgeschossen.
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- Schusswechsel zwischen Indien und Pakistan
Verletzte wurden demnach nicht gemeldet. Bei dem Schusswechsel kamen nach indischen Angaben "Kleinwaffen", also etwa Gewehre, zum Einsatz. Pakistan bestätigte dies zunächst nicht. Beide Seiten hatten zuvor aber einen Schusswechsel an der Kontrolllinie in Kaschmir in der vorangegangenen Nacht bestätigt.
Schuldzuweisungen nach Anschlag auf Touristen
Am Dienstag hatten Angreifer im beliebten Urlaubsort Pahalgam im indischen Teil der Kaschmir-Region 26 Touristen erschossen. Indien warf Pakistan daraufhin die Unterstützung von "grenzüberschreitendem Terror" vor, Pakistan wies dies zurück. Die beiden Nachbarländer, die beide als Atommächte gelten, überzogen sich gegenseitig mit Strafmaßnahmen. Experten schließen angesichts der jüngsten Spannungen eine militärische Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan nicht aus.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte am Freitag in einer Erklärung den Anschlag auf die Touristen als "Terrorangriff". Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, hieß es weiter. Am Donnerstag hatte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, beide Seiten aufgerufen, "größtmögliche Zurückhaltung zu üben". Die nördliche Himalaya-Region Kaschmir, die mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, ist seit der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans im Jahr 1947 geteilt. Beide Länder beanspruchen das Gebiet vollständig für sich.
Experten: Hohes Eskalationsrisiko
Experten warnten indes vor einer drohenden Eskalation. Das Eskalationsrisiko sei "enorm hoch", schrieb der renommierte Südasien-Experte Michael Kugelman, Direktor des Südasien-Instituts am Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington, auf der Online-Plattform X. "Die Welt sollte sehr besorgt über die derzeitige Indien-Pakistan-Krise sein", die Regierungen beider Länder stünden unter Druck.
Auch Christian Wagner, Experte für Indien und Pakistan bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sprach von einer "neuen Eskalationsstufe". Pakistan habe in der Vergangenheit angedeutet, dass mit der Reduzierung der Wasserzufuhr, die mit der Aussetzung des Indus-Wasservertrags drohe, eine rote Linie für den Einsatz von nuklearen Waffen überschritten sein könne. Dass Pakistan das Shimla-Abkommen von 1972, das die friedliche Bereinigung aller strittigen Fragen zwischen beiden vorsieht, infrage stelle, sei eine gefährliche Zuspitzung der Lage.
Befürchtet wird, Indiens Militär könnte nach dem jüngsten Anschlag in Pakistan mutmaßliche Basen von Terrorgruppen oder andere Ziele angreifen. Pakistan könnte dann mit Gegenschlägen auf indische Ziele antworten. Schon kleinere Scharmützel am Grenzverlauf könnten rasch eskalieren - mit unübersehbaren Folgen. "Es ist leider davon auszugehen, dass wir noch mal eine militärische Eskalation sehen", so Wagner.