Rettungsarzt glaubt nicht, dass der US-Student in Nordkorea gefoltert wurde.
Im Fall des mehr als ein Jahr lang in Nordkorea inhaftierten Studenten Otto Warmbier hat der an der Rückführung in die USA beteilige Rettungsarzt das Krankenhaus in Pjöngjang gegen Vorwürfe in Schutz genommen. "Ich hatte den Eindruck, dass Warmbier dort gut behandelt wurde und mir die Ärzte nichts verschwiegen", sagte US-Notarzt Mike Flueckiger dem NDR.
Er habe natürlich nach Anzeichen für Folter gesucht, aber keine Hinweise darauf gefunden. Vielmehr sei ihm positiv aufgefallen, dass Warmbiers Haut keinerlei Druckstellen aufgewiesen habe, sagt Flueckiger in der NDR-Dokumentation "Die Akte Otto Warmbier". "Nach einer derart langen Liegezeit fand ich das bemerkenswert."
Nordkoreanische Haft
Warmbier war während einer Nordkorea-Reise Anfang 2016 wegen des angeblichen Diebstahls eines Propaganda-Posters zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. In nordkoreanischer Haft fiel er unter ungeklärten Umständen ins Koma und wurde schließlich von Nordkorea freigelassen. Wenige Tage nach seinem Rücktransport in die USA im Juni 2017 starb der 22-Jährige. Ohne Belege dafür anzuführen, erklärte US-Präsident Donald Trump per Twitter, Warmbier sei in Nordkorea "über alle Maßen gefoltert" worden.
Flueckiger war gemeinsam mit einem Unterhändler des US-Außenministeriums im Juni 2017 für eine Spezialmission nach Pjöngjang geflogen, um Warmbier zurück in seine Heimat zu bringen. Dabei hätten ihm die nordkoreanischen Ärzte zwei getrennte mögliche Ursachen für das Koma von Warmbier genannt: "Die erste war, dass Warmbier zu Beginn seiner Haft eine Mahlzeit mit verdorbenem Schweinefleisch zu sich genommen habe, was sie aber selbst nicht hätten prüfen können." Dies habe er "für wenig plausibel" gehalten, sagte Flueckiger dem NDR.
"Sehr gut untergebracht"
Die zweite These sei gewesen, "dass Warmbier sehr aufgebracht gewesen sei, als er in Haft kam, und ihm dort dann zwei Beruhigungsmittel zugeführt worden seien, auf die er entweder überreagiert habe oder die womöglich überdosiert gewesen seien". Auch die zuständige Gerichtsmedizinerin in Cincinnati, Lakshmi Sammarco, bestätigte laut NDR, dass die Erklärung des Krankenhauses durchaus schlüssig sei.
Endgültig beweisen lasse sich allerdings keine Ursache mehr, betonte die US-Ärztin. Ihre Erkenntnisse habe sie aus Rücksicht auf die Eltern zunächst zurückgehalten. Nach ersten Äußerungen habe sie Drohmails erhalten, die sie davor warnten, dem US-Präsidenten öffentlich zu widersprechen.
Dass der Foltervorwurf auch innerhalb der Trump-Administration umstritten gewesen sei, sagt in dem NDR-Film ein früherer US-Diplomat. Er habe aus dem Außenministerium direkte Anweisung erhalten, im Fall Warmbier nicht öffentlich von Folter zu sprechen. "Für's Protokoll", habe ein hoher Beamter ihm gegenüber insistiert, "es gab keine Folter". Laut NDR wollten dies weder das Weiße Haus noch das US-Außenministerium auf Anfrage kommentieren.
Nordkorea hat stets jegliche Misshandlung Warmbiers bestritten.