Wer ist der rätselhafte Österreicher?

Familie gefangen gehalten: Josef B. wegen Entführung inhaftiert

16.10.2019

Der 58-jährige Mann will keinen Kontakt zu Behörden in Österreich. Er wurde nun wegen Entführung inhaftiert.

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Ruinerwold/Wien. Der im Fall einer isoliert lebenden Familie auf einem Bauernhof in Ruinerwold in den Niederlanden festgenommene 58-jährige Österreicher wird der Freiheitsberaubung verdächtigt. Das teilte die niederländische Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Der gebürtige Wiener war am Dienstag festgenommen worden.

Er hatte einen Bauernhof in Ruinerwold gemietet, auf dem ein Vater mit sechs erwachsenen Kindern offenbar neun Jahre völlig isoliert in einem kleinen Raum gehaust hatte. Der Mann solle Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden, hieß es.

Auch den Kontakt zu den Behörden verweigert er. "Er wünscht keinen Kontakt zur österreichischen Botschaft in Den Haag und will keine konsularische Hilfe", sagte der Sprecher des Außenministeriums in Wien, Peter Guschelbauer. Die Behörden warten nun die Ermittlungen in den Niederlanden ab.

Aufgrund dessen werden keine weiteren Details aus Datenschutzgründen bekannt gegeben. Der 58-Jährige Josef B. dürfte nach APA-Informationen in Österreich allerdings noch nicht behördlich aufgetreten sein. Niederländische Ermittler berichteten, dass es sich um einen gebürtigen Wiener handelt. Der Mann ist nach APA-Informationen allerdings 2010 von Oberösterreich aus dem Bezirk Perg aus in die Niederlande ausgewandert.
 
Josef B. hatte bereits vor 20 Jahren den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen und war seit seiner Jugend Mitglied einer Sekte. In den Niederlanden wollte er wohl neu anfangen, mietete den Bauernhof und lebte dort komplett zurückgezogen.

Mehrere Firmen angemeldet 

Vor neun Jahren hat er sich dann in Ruinerwold in der Provinz Drenthe niedergelassen und einen Bauernhof angemietet. Wie er die Familie kennengelernt hat, ist unklar. Jedenfalls soll er zumindest sechs Menschen in dem Gebäude isoliert haben. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll es sich um fünf Geschwister im Alter von 18 bis 25 und den bettlägerigen Vater der Kinder handeln.
 
Der 58-jährige Österreicher ist Tischler und hatte laut niederländischem Firmenbuch mehrere Unternehmen in den Niederlanden angemeldet – unter anderem Biomassekessel-Hersteller, Kajak-Bauer und Möbelhersteller. Der Mann war nicht nur als Josef bekannt, sondern er nannte sich angeblich auch Blentila. In seinem Namen steht außerdem ein "junior". 
 
Das ist der Sitz seiner Holzfirma in Meppen und sein Volvo in der Einfahrt:  
 
 
Die Mutter der Kinder sei demnach vor neun Jahren gestorben, bevor die Familie in das Bauernhaus gezogen ist. Alle in einem abgeschotteten Raum aufgefundenen Personen sind niederländische Staatsbürger, waren aber in Ruinerwold nicht gemeldet. Der 58-Jährige dürfte nach Angaben der deutschen Nachrichtenagentur dpa dort allerdings nicht gelebt haben, sondern regelmäßig hingefahren sein.
 
Bürgermeister Roger de Groot bestätigte gegenüber Reuters, dass es sich bei dem Österreicher nicht um den Vater der Kinder handelt. "Der Mann ist in Gewahrsam und wird nun befragt", erklärte Polizeisprecherin Grietje Hartstra. "Es ist noch vieles unklar und wir ermitteln nun, was dort geschehen ist." Die Familie soll auf "das Ende der Zeiten" gewartet haben, das bestätigte die Behörde aber nicht. Hartstra sagte gegenüber Reuters: "Es gibt viele Spekulationen in den Medien, aber die Polizei will Fakten. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen." Die Bewohner des Bauernhauses haben in provisorischen Zimmern gelebt und sich von Gemüse aus dem Garten und Tieren auf der Farm ernährt. Laut dpa wird nun eine Sondergruppe von 25 Beamten den Fall aufklären.
 
Der älteste Sohn der Familie war am Montag in ein Wirtshaus gegangen und hatte um Hilfe gebeten. Die alarmierte Polizei fuhr daraufhin zum Hof. "Da trafen wir sechs Menschen in einem abschließbaren kleinen Raum in der Wohnung, es war kein Keller", präzisierte die Polizei gegenüber der dpa.
 

Sohn seit kurzem wieder in sozialen Medien

© Facebook
Der 25-jährige Jan Z.

Der älteste Sohn der in den Niederlanden auf einem Bauernhof isolierten Familie, der den Fall ins Rollen gebracht hat, war scheinbar seit kurzem in sozialen Netzwerken aktiv. Laut Medienberichten hat er mehrere Profile unter dem Vornamen Jan. Im Mai teilte er etwa auf Twitter eine Seite für einen Webshop für Holz mit den Worten "guten Start".
 
Der 25-Jährige hatte bereits vor neun Jahren Accounts in sozialen Medien, dürfte dann aber neun Jahre lang offline gewesen sein. Erst seit dem Frühjahr postete er wieder. Er stellte Fotos von Bäumen online und teilte Berichte über Klimaschutz. "Pflanzen Sie für jeden gefällten Baum einen neuen Baum", ließ er wissen und dass er einen neuen Job hat. Der 58-jährige Österreicher soll dabei sein Chef gewesen sein.
 
 
© Facebook
Er war auf Facebook aktiv. 
 
Die niederländische Zeitung "De Telegraaf" berichtete etwa, dass der in dem Fall festgenommene Österreicher ein Tischler sein soll. Er soll laut dpa Reparaturarbeiten in dem Haus erledigt haben, am Bauernhof aber nicht gelebt haben. Welche Rolle er in dem Fall spielt, ist laut Ermittlern nach wie vor unklar.
 
Der junge Mann schreibt, dass er seit 2010 in Ruinerwold lebt - auf dem von dem Österreicher angemieteten Bauernhof. Die Mutter dürfte bereits 2004 gestorben, seitdem kümmerten sich die Kinder auch um den Vater, der bettlägerig in dem isolierten Raum am Bauernhof entdeckt wurde, berichtete der TV-Sender RTV Drenthe online.
 
Der 25-Jährige, der von sich ein Foto mit langen Haaren und Bart postete, ging am Montag in ein Lokal, bestellte Bier und berichtete, dass er weggelaufen sei und nicht mehr nach Hause könne. Der Wirt wunderte sich über seine Kleidung aus den 1980er-Jahren. Weil ihm die Sache komisch vorkam, informierte er die Polizei. Der 25-Jährige dürfte in den vergangenen Wochen das Lokal öfter besucht haben.
 
 
© Facebook
 
 
Am 12. Oktober, zwei Tage, bevor er beschloss, Kontakt mit anderen Menschen in einem Lokal aufzunehmen, machte er Fotos in der Dunkelheit in Ruinerwold und schrieb dazu: "Wo wurde dieses Bild aufgenommen?"
 
© Facebook
 
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Erinnerung an Josef Fritzl und Natascha Kampusch

Ob der Österreicher die Familie in den Niederlanden gegen ihren Willen festgehalten hat, ist noch unklar. Die Causa erinnert aber an Fälle in Österreich, bei denen Menschen jahrelang isoliert und gefangen gehalten wurden - allen voran der Fall des Inzestvaters Josef Fritzl in Amstetten.
 
  • 2008 wird in Amstetten der in seiner Dimension unfassbare Inzestfall bekannt. Ein damals 73-Jähriger hält seine Tochter 24 Jahre lang im Keller seines Hauses gefangen, vergewaltigt sie und zeugt mit ihr sieben Kinder. Seit ihrem 18. Lebensjahr war die Frau eingekerkert. Drei der in dem unterirdischen Verlies zur Welt gebrachten Kinder holt der Mann im Lauf der Jahre aus dem Verlies und gibt sie als Enkelkinder aus. Er zieht sie mit seiner Ehefrau groß, wobei er angibt, seine angeblich untergetauchte, möglicherweise bei einer Sekte gelandete Tochter hätte die Kleinen weggelegt. Deren Geschwister wachsen bis zu ihrer Befreiung 2008 im Keller auf, ohne jemals Tageslicht, Wind, Sonne und Natur erlebt zu haben.

Aufgeflogen war der Fall, weil Josef Fritzl auf Drängen seiner Tochter ein schwer krankes Kind ins Spital gebracht hat. Auf der Suche nach für die Behandlung nötigen näheren Daten zu der jungen Frau ergeht via Medien ein Aufruf, die - als vermisst geltende - Mutter der 19-Jährigen möge sich melden. Als Josef F. mit der damals 42-Jährigen im Spital auftaucht, wird er festgenommen. Der Pensionist wird ein Jahr später zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Kellerverlies wird unzugänglich gemacht.

  • 1998 wird die zehnjährige Natascha Kampusch auf dem Schulweg in Wien entführt und von dem Niederösterreicher Wolfgang Priklopil acht Jahre lang in einem nicht einmal sechs Quadratmeter großen Kellerverlies in seinem Haus in Strasshof an der Nordbahn eingesperrt. Im August 2006 gelingt ihr nach Jahren der Gefangenschaft, in der sie misshandelt wird, die Flucht. Ihr Peiniger wird am selben Tag tot aufgefunden, er ist von einem Zug erfasst worden. Er nahm sich laut Ermittlern so das Leben. Der Fall wird mehrfach neu aufgerollt. Dabei werden den Behörden zwar Ermittlungsfehler attestiert, Gerüchte über etwaige andere Täter oder Mitwisser werden aber zurückgewiesen.
  •  2007 wird bekannt, dass eine Mutter aus dem Großraum Linz ihre drei Töchter sieben Jahre lang in ihrem Haus eingesperrt hat. Auslöser für die Tat ist eine Scheidung. Die Frau verbarrikadiert sich im Haus, zieht die Vorhänge zu, schraubt alle Glühbirnen heraus und lässt die Kinder nicht mehr in die Schule gehen. Den Behörden erzählt die Oberösterreicherin, dass sie die Kinder selbst unterrichtet. Dem Vater sagt sie entweder, dass die Kinder krank oder bei der Oma sind. In ihrem Gefängnis entwickeln die drei Kinder eine eigene Sprache und spielen vor allem mit Mäusen, denen sie Kosenamen geben. Erst als die Nachbarn wiederholt Anzeige erstatten, schreitet die Fürsorge ein.
  • 2019 verhungert eine Frau und ihre Zwillingstöchter in einer Wohnung in Wien-Floridsdorf. Aufgrund einer psychischen Erkrankung der 45-Jährigen dürfte sie ihre 18-jährigen Töchter völlig isoliert haben. Die Familie hatte wenig soziale Kontakte, die Kinder gingen auch nicht zur Schule. Die Wohnung verlassen Mutter und Töchter immer nur gemeinsam. In der Küche werden keine Lebensmittel gefunden. Erst zwei Monate nach ihrem Tod werden die Leichen der drei entdeckt.
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