Todesfahrt in Berlin
Fingerabdrücke von Anis Amri im Lkw gefunden
22.12.2016
Ermittler stellten Fingerabdrücke des Terrorverdächtigen sicher.
Bei den Ermittlungen zum Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt erhärten sich nach Medienberichten die Hinweise auf den Verdächtigen Anis Amri. Medienberichten zufolge wurden an der Fahrertür des Lastwagens, der am Montagabend in die Menschenmenge gerast war, Fingerabdrücke des 24-jährigen Tunesiers sichergestellt. Auch am Lenkrad sollen entsprechende Spuren entdeckt worden sein.
Die deutsche Bundesanwaltschaft wollte dies auf Nachfrage nicht kommentieren. "Dies ist sicher nicht der richtige Zeitpunkt", sagte ein Sprecher. Die Anklagebehörde hatte zuvor bereits Medienberichte über vier Festnahmen von angeblichen Kontaktleuten Amris dementiert. Über die Fingerabdrücke auf der Fahrertür hatten "Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR berichtet, die "Berliner Zeitung" schrieb über die Spuren am Lenkrad.
Fahndungsdruck erhöht
Unterdessen erhöhten die Ermittler den Fahndungsdruck. So gab es in Nordrhein-Westfalen Polizeieinsätze. Dabei wurden in Dortmund nach WDR-Informationen mehrere Personen - offensichtlich aus der Islamistenszene - mitgenommen, um befragt zu werden. Festnahmen im direkten Zusammenhang mit dem Berliner Anschlag gab es nach Angaben der Bundesanwaltschaft jedoch nicht. Auch durchsuchten Beamte eine Flüchtlingsunterkunft in Emmerich im Kreis Kleve (NRW), wo Amri laut "Spiegel online" offiziell gemeldet war. Neben Ermittlungen in ganz Deutschland wurden auch die Grenzkontrollen zu Belgien und den Niederlanden verstärkt.
Über den dringend Tatverdächtigen, der 2015 ins Land einreiste, werden immer mehr Details bekannt. So hatten die Sicherheitsbehörden nach "Spiegel"-Informationen vor Monaten vage Hinweise darauf, dass er sich im Chat mit einem Hassprediger als möglicher Selbstmordattentäter anbot. Entsprechende abgefangene Äußerungen von Amri seien aber so verklausuliert gewesen, dass sie nicht für eine Festnahme gereicht hätten.
Keine engen Kontakte zu Salafisten-Prediger Abu Walaa
Nach dpa-Informationen gibt es bisher keine Hinweise auf enge Kontakte von Amri zu dem kürzlich verhafteten Salafisten-Prediger Abu Walaa. Amri habe zwar in Salafistenkreisen verkehrt und sei auch in entsprechenden Wohnungen gewesen, hieß es aus Sicherheitskreisen. Ein wichtiges Teil eines salafistischen Netzwerkes sei er aber wohl nicht gewesen. Der Salafist habe offenbar vergeblich versucht, an automatische Waffen zu kommen. Nach einem Bericht der "New York Times" soll sich Amri im Internet auch über den Bau von Sprengsätzen informiert haben. Wann das war, wurde nicht genannt. Medienberichten zufolge wurde Amri zudem in Italien und Tunesien bereits zu langen Haftstrafen verurteilt.
Von März bis September war Amri als sogenannter Gefährder - damit sind unter anderem radikale Islamisten gemeint, denen schwere Straftaten zugetraut werden - von den Sicherheitsbehörden überwacht worden. Beweise für konkrete Anschlagspläne konnten die Ermittler aber nicht finden. Eine Abschiebung nach Tunesien scheiterte, weil er keinen Pass hatte. Seit Dezember gilt Amri als untergetaucht. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat sich zu dem Berliner Anschlag zwar bekannt, ob der IS tatsächlich Verbindungen zu Amri hatte, ist aber unbewiesen.
Kritik an Arbeit der Sicherheitsbehörden
CDU-Bundesvizechef Armin Laschet kritisierte die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Sie hatten Amri, der mit verschiedenen Namen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin agierte, monatelang auf dem Radar, konnten ihm aber nichts nachweisen. "Die Informationen, die wir seit gestern bekommen, die können einen nur erschüttern, wie Behörden hier gearbeitet haben", sagte Laschet im Deutschlandfunk.
Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte bei einem Besuch der Bundeswehr in Afghanistan einen entschlossenen Kampf gegen den Terror. "Sie stehen dafür ein, dass wir uns nicht unterkriegen lassen vom Terror, dass wir uns wehren, gegen diejenigen, die die Menschen terrorisieren", sagte sie vor Soldaten auf einem Weihnachtsmarkt im Feldlager von Mazar-i-Sharif. US-Präsident Donald Trump sieht sich indes in seiner Forderung nach einem Einreisestopp für Muslime bestätigt. "Es zeigt sich, dass ich recht hatte, 100 Prozent Recht", zitierte ihn die "New York Times".
Duldungspapiere gefunden
Auf die Spur von Amri kamen die Ermittler, als sie im Lastwagen seine Duldungspapiere fanden. Das passierte aber erst am Dienstag, weil die Fahrerkabine zunächst versiegelt worden war. Amris Brüder zeigten sich schockiert und beteuerten, dass der 24-Jährige kein Terrorist sei. "Als er Tunesien verließ, war er ein normaler Mensch", sagte Walid Amri am Donnerstag dem Sender Sky News Arabia. Sein Bruder Abdelkader meinte, dass sich Anis Amri im italienischen Gefängnis verändert haben könnte.
Der Sattelschlepper war am Montagabend auf den Weihnachtsmarkt bei der Gedächtniskirche gerast. Zwölf Menschen wurden getötet, rund 50 teils lebensbedrohlich verletzt. Am Donnerstag wurde der Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz wieder geöffnet. Zum Schutz der Besucher wurden schwere Betonblöcke aufgestellt.