Rede vor Diplomaten
Fischer "besorgt" über Entwicklung in Ungarn
13.01.2012
Bundespräsident: "Ungarn braucht Europa und Europa Ungarn."
Bundespräsident Heinz Fischer hat am Freitag beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps internationale Bedenken über jüngste Entwicklungen in Ungarn angesprochen. "Wenn ich in Übereinstimmung mit europäischen Institutionen und anderen europäischen Staaten Besorgnisse und Diskussionsbedarf über bestimmte Entwicklungen in unserem Nachbarland Ungarn nicht verschweige, dann geschieht dies nicht aus einer unfreundlichen Haltung heraus, sondern - ganz im Gegenteil - aus der Sicht eines Landes, das sich Ungarn ganz besonders und freundschaftlich verbunden fühlt", sagte Fischer laut Redetext, ohne dies näher auszuführen. "Ungarn braucht Europa und Europa braucht Ungarn. An dieser Gewissheit sollte nicht gerüttelt werden", fügte der Bundespräsident hinzu.
Die EU-Kommission hat in den vergangenen Tagen mehrmals Bedenken unter anderem gegenüber Änderungen im ungarischen Justizsystem und in Bezug auf die Unabhängigkeit der Nationalbank geäußert. Sie kündigte eine Entscheidung über ein mögliches EU-Vertragsverletzungsverfahren für Dienstag an. Der Europarat forderte die rechtskonservative Regierung von Viktor Orban zur Achtung von Meinungs- und Religionsfreiheit auf. Man sei "ernsthaft besorgt" über Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz, der Meinungs- und der Religionsfreiheit, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an Außenminister Janos Martonyi.
Fischer ging laut Redetext auch auf die Finanz- und Schuldenkrise in der Eurozone ein, in deren Zeichen das Jahr 2011 für Österreich und Europa stark gestanden sei und die auch das Jahr 2012 noch prägen werde. In den vergangenen eineinhalb Jahren seien viele Schritte gesetzt worden, um das Vertrauen in den Euro nachhaltig zu sichern. "Weitere Maßnahmen sind dringend notwendig", forderte der Bundespräsident. Dazu zählten "Reformen der wirtschaftspolitischen Koordinierungsarchitektur, die ein rascheres und effektives Handeln zur Krisenbewältigung ermöglichen".
Es sei klar, dass alle europäischen Staaten, auch Österreich, ihre Neu- und Gesamtverschuldung reduzieren müssten und wollten. "Ein wichtiges Anliegen dabei ist aber, dass dies in einer für alle Bevölkerungsgruppen möglichst gerechten Weise erfolgt und Europa und Österreich als Arbeits- und Wirtschaftsstandort nicht schädigt", betonte Fischer.
Zu den Umbrüchen in der arabischen Welt sagte der Bundespräsident, Österreich begrüße "demokratische Entwicklungen, die der Bevölkerung mehr Freiheit und mehr Mitbestimmung bringen". Es zeige sich aber "mit aller Deutlichkeit, wie schwierig in der Praxis der Übergang von autoritären Strukturen zu einem funktionierenden demokratischen System ist, und alle Beteiligten werden sich auf einen längeren Prozess des Überganges und der Entwicklung spezifischer und geeigneter Formen der Demokratie in den betreffenden Ländern einstellen müssen", so Fischer.
"Mit besonderer Sorge erfüllt uns die aktuelle Eskalation der Gewalt in Syrien", hob der Bundespräsident hervor. Es sei zu hoffen, "dass die Bemühungen der Arabischen Liga zu einem Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen und einer Beruhigung der Lage in Syrien beitragen können".
Fischer kündigte in seiner Rede zudem an, dass UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon Wien im Februar einen Besuch abstatten und auch einen Vortrag halten werde. Österreich messe der Tätigkeit der Vereinten Nationen "nach wie vor größte Bedeutung bei", betonte der Bundespräsident.