Nach tagelangem Leugnen

Flugzeug-Abschuss: Die Ausreden der Mullahs

11.01.2020

'Ukrainische Maschine fälschlicherweise für Marschflugkörper gehalten'.

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Teheran/Berlin. Ein Defekt im militärischen Kommunikationssystem hat nach Angaben eines Kommandanten der iranischen Revolutionsgarden zu dem fatalen Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine nahe Teheran geführt.

"Das Unglück ereignete sich nach einem Kommunikationsdefekt, was jedoch trotzdem keine Rechtfertigung und unverzeihlich ist", sagte der Kommandant der Luft- und Weltraumabteilung der Revolutionsgarden, Amir Ali Hajizadeh, am Samstag.

Hajizadeh berichtete, am Tag des Unglücks seien alle Streitkräfte wegen der Drohungen der USA, 52 Ziele im Iran anzugreifen, in höchster Alarmbereitschaft gewesen, darunter die Militärbasen in Teheran.

Die ukrainische Maschine wurde nach seinen Worten als potenzielle Gefahr eingestuft, man habe sie fälschlicherweise für einen Marschflugkörper im Anflug auf eine strategisch wichtige Militärbasis in Teheran gehalten. Der zuständige Offizier wollte demnach der Zentrale die Gefahr melden, aber genau zu dem Zeitpunkt habe es einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben.

Der Offizier hatte laut Hajizadeh dann nur wenige Sekunden, um zu entscheiden, ob er eine Luftabwehrrakete abfeuert oder nicht. "Und leider tat er es, was dann zu dem Unglück führte", sagte der Kommandant. "Als ich davon erfahren habe, wünschte ich mir, lieber selbst tot zu sein, statt Zeuge dieses Unglücks", sagte Hajizadeh. Als Chef der Abteilung für Luft- und Weltraumabteilung trage er die volle Verantwortung und sei bereit, alle Konsequenzen zu tragen.

Hajizadeh verteidigte die zivile Luftfahrtbehörde, die tagelang den Abschuss geleugnet hatte. "Sie trifft keine Schuld, weil sie das Ganze aus technischer Sicht gesehen haben und nichts über den Ablauf wussten", sagte der Kommandant. Seiner Einschätzung nach hätte es aber an dem Tag landesweit ein Flugverbot geben sollen, weil sich das Land in einer Art Kriegssituation befunden habe.

 

Ukrainische Fluggesellschaft: Maschine war strikt auf Kurs

Die ukrainische Fluggesellschaft, deren Passagiermaschine abgeschossen wurde, hat Andeutungen zurückgewiesen, wonach das Flugzeug von seiner normalen Route abgewichen sein könnte. Der Jet sei strikt auf Kurs gewesen, sagte der Vizepräsident der Airline am Samstag. Vor dem Start habe es keine Warnung aus Teheran über eine mögliche Bedrohung gegeben. Der Iran hätte den Flughafen schließen sollen.
 
Der ukrainische Staatschef Selenskyj will heute Samstag gegen 16.00 Uhr MEZ mit dem iranische Präsident Rouhani telefonieren. Danach soll eine Videobotschaft Selenskyjs veröffentlicht werden, in dem er über die aktuelle Lage nach dem Raketenabschuss der Passagiermaschine durch den Iran informiert
 
Die iranischen Revolutionsgarden hatten die Verantwortung für den Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine mit 176 Toten übernommen. Das Verkehrsflugzeug sei irrtümlich für einen Marschflugkörper gehalten worden, erklärte der für die Luftwaffe zuständige Kommandant der Revolutionsgarden, Amir Ali Hajizadeh, in einer am Samstag im Fernsehen gesendeten Stellungnahme.
 
Er gab den USA Mitschuld an dem Abschuss, da sie die Spannungen mit dem Iran verschärft hätten. Iran sei auf den Ausbruch eines Krieges gefasst gewesen. Ein Luftwaffensoldat habe die Passagiermaschine für einen amerikanischen Angriff gehalten.
 
Im Iran stieß das Einräumen des Abschusses nach tagelangen Leugnen jedweder Schuld auch auf Kritik. "Es ist eine nationale Tragödie. Die Art, wie sie gehandhabt wurde und mehr noch, wie Behörden das bekannt gegeben haben, ist noch tragischer", sagte der als moderat geltende Geistliche Ayatollah Ali Ansari nach einem Bericht der halboffiziellen Nachrichtenagentur ILNA. Viele Iraner fragten in sozialen Medien, warum der Flughafen Teherans nicht geschlossen worden sei, nachdem die iranische Armee zwei US-Stützpunkte im Irak mit Raketen beschossen hatte.
 
In einigen Tweets wurde Außenminister Mohammad Javad Zarif zum Rücktritt aufgefordert. "Dies ist die Endstation, Herr Minister! Sie ruinieren alles", twitterte etwa Bita Razaqi unter dem Account @bitarazaqi. Zarif hatte den USA vorgeworfen, den Absturz für Propaganda gegen den Iran auszunutzen. Auch am Samstag gab er dem Erzfeind eine Mitschuld an dem Abschuss.
 

Maas: Wichtig, dass Klarheit geschaffen wurde

Die deutsche Bundesregierung begrüßte das Eingeständnis des Iran, für den Absturz des Passagierflugzeugs mit 176 Todesopfern verantwortlich zu sein. Außenminister Heiko Maas sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Es war wichtig, dass der Iran diese Klarheit geschaffen hat. Nun sollte Teheran in der weiteren Aufarbeitung dieser schrecklichen Katastrophe die richtigen Konsequenzen ziehen und Vorkehrungen treffen, damit so etwas nicht wieder passieren kann."

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hatte den Abschuss bedauert, eine gründliche Untersuchung versprochen und erklärt: "Dieser unverzeihliche Vorfall muss juristisch konsequent verfolgt werden." Die Familien der Opfer müssten entschädigt werden.

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