Grenzschutzbehörde

Frontex: 150.000 Migranten wollen auf die Kanaren flüchten

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Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex vermutet, dass alleine in Mauretanien derzeit rund 150.000 Flüchtlinge aus Mali darauf warten, ein Boot auf die Kanaren zu nehmen.

Madrid. Am Dienstag startete Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez in Mauretanien eine dreitägige Afrika-Reise, die ihn auch nach Gambia und in den Senegal führt. Ziel der Reise ist es, die starke Fluchtbewegung einzudämmen, die derzeit von diesen drei Ländern auf die zu Spanien gehörenden Kanaren-Inseln vor der westafrikanischen Küste ausgeht. Im Laufe des Jahres erreichten bereits über 22.400 afrikanische Bootsflüchtlinge die spanischen Ferieninseln im Atlantik.

Anstieg von über 125 Prozent

Das kommt einem Anstieg von über 125 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres gleich, bestätigte das spanische Innenministerium. Doch der Migrationsdruck dürfte sich bis Jahresende noch erhöhen. Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex vermutet, dass alleine in Mauretanien derzeit rund 150.000 Flüchtlinge aus Mali darauf warten, ein Boot auf die Kanaren zu nehmen. Durch die sich stetig verschlechternde Sicherheits- und Arbeitslage im Kriegsland Mali flüchten immer mehr Malier ins Nachbarland, um von hier über die Kanaren Europa zu erreichen.

Zuvor wählten viele Flüchtlinge aus Mali und anderen Sahelländern die Route über Tunesien. Doch der nordspanische Maghrebstaat hatte sich vor Monaten mit der Europäischen Union im Zuge von Wirtschaftshilfen auf verstärkte Grenz- und Migrationskontrollen geeinigt. So nehmen nun immer mehr Flüchtlinge die längere und gefährlichere westatlantische Migrationsroute auf die Kanaren.

Weitere Zunahme der Flüchtlingsboote

Spanien geht vor allem ab Mitte September von einer weiteren Zunahme der Flüchtlingsboote aus, wenn sich im Frühherbst die Witterungs- und Wellenbedingungen auf dem Atlantik entspannen. Die örtlichen Behörden auf den Kanaren erklärten, dass sie Migranten möglicherweise in Militärlagern oder sogar in Zelten unterbringen müssen. Der kanarische Regierungschef Fernando Clavijo erklärte, man rechne bis Jahresende mit mindestens 70.000 Flüchtlingen und bat sowohl die spanische Zentralregierung als auch die Regionalregierung um Hilfe - vor allem bei der Übernahme unbegleiteter minderjähriger Migranten.

Am Freitag besuchte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez die Kanareninsel La Palma, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, bevor er auf die Afrika-Reise ging. Dabei versprach er Inselregierungschef Clavijo zur Kontrolle der Lage 50 Millionen Euro an Soforthilfen. Mauretanien, Gambia und dem Senegal will Sánchez Millionen schwere Investitionen und Wirtschaftshilfen anbieten. Im Gegenzug verlangt er von den afrikanischen Regierungen eine konsequentere Kontrolle der Flüchtlingsrouten. Bereits im Februar war Sánchez in Begleitung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Mauretanien. Beide versprachen dem Land 500 Millionen Euro an Hilfen für die wirtschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung von Schlepperbanden.

"Kriegswirren sowie humanitäre und wirtschaftliche Notlage"

Ob das die Fluchtbewegung eindämmen kann, wagen Experten zu bezweifeln. "Solange die Kriegswirren sowie humanitäre und wirtschaftliche Notlage in den Ländern der Sahelzone andauern, werden die Menschen weiterhin nach Europa fliehen wollen", versichert Juan Carlos Lorenzo von der spanischen Flüchtlingshilfsorganisation CEAR im Gespräch mit der APA.

Viele werden bei dem Versuch sterben. Darf man den Schätzungen der spanischen Flüchtlingshilfsorganisation Caminando Fronteras glauben, starben 2023 über 6.000 Flüchtlinge beim Versuch, von Westafrika die Kanaren zu erreichen. Nicht wenige Holzboote kentern in den hohen Wellen des Atlantik. Andere Migranten verdursten und verhungern bei der Überfahrt. Wenn ein Boot die Kanaren verpasst und auf den offenen Atlantik abdriftet, ist das der sichere Tod. Erst vor zwei Wochen wurde an einem Karibikstrand in der Dominikanischen Republik ein afrikanisches Flüchtlingsboot aus Mauretanien mit vierzehn Skeletten entdeckt, welches die Kanaren verfehlte. "Es ist die gefährlichste Seeflüchtlingsroute der Welt. Doch 90 Prozent der Flüchtlinge wissen nicht einmal, welchen Gefahren sie sich aussetzen", stellt CEAR-Sprecher Juan Carlos Lorenzo klar.

350 Flüchtlinge bei illegalem Grenzübertritt festgenommen

Doch nicht nur die Kanaren sind derzeit mit einer starken Fluchtbewegung konfrontiert. Auch die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta. Allein in der Nacht auf Montag wurden 350 Flüchtlinge beim illegalen Grenzübertritt festgenommen. Die hauptsächlich aus Marokko und Algerien stammenden Migranten nutzten dabei den dichten Nebel über dem Meer, um die von Marokko umgebende spanische Stadt an der nordafrikanischen Mittelmeerküste schwimmend zu erreichen. Zahlreiche Migranten benutzen dabei auch aufblasbare Luftmatratzen und Plastik-Schwimmreifen. Laut der spanischen Behörden haben in den vergangenen 24 Stunden über 1.500 Menschen versucht, das spanische Ceuta und damit die Europäische Union schwimmend zu erreichen.

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