AKW außer Kontrolle

GAU: So gefährlich wird Fukushima für uns

12.04.2011

Experten Wolfgang Kromp & Otto Strele beantworten 5 Fragen zu Fukushima.

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© Reuters
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1) Was bedeutet Gefahrenstufe 7?
Lebensgefahr: Gefahrenstufe 5 bedeutet "ernster Unfall", Stufe 6 wäre ein "schwerer Unfall". Die jetzt ausgerufene Stufe 7 bezieht sich auf einen "katastrophalen Unfall". Dabei gibt es große Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und auf die Umwelt, die nicht mehr nur lokal wirksam sind, sondern weiträumig.

2) Ist auch Österreich betroffen?
Gefahr Nahrungskette: Das Gift wird im Meer über ­Mikroorganismen an die nächstgrößere Tierart weitergegeben. Am Ende der Nahrungskette steht der Mensch. Die Rechnung werden wir präsentiert bekommen – in welcher Dimension, lässt sich nicht abschätzen. Vor allem die Verseuchung des Pazifiks mit radioaktivem Wasser ist dramatisch für Fische.
Wichtig: Auf keinen Fall darf man Kalium-Jodid-Tabletten einnehmen. Sie sind nur für den Ernstfall.

3) Ist Fukushima so gefährlich wie damals Tschernobyl?


Freisetzung: Bei Tschernobyl gab es einen Grafitbrand, der die Schadstoffe in die Atmosphäre getragen hat. Die Strömungen waren für Österreich fatal. Bei Fukushima ist es eine bodennahe Freisetzung: Die meisten Schadstoffe gehen aufs Meer hinaus.

4) Wann bekommen die Japaner den GAU in den Griff?
Langer Kampf: Das lässt sich nicht abschätzen. Sicher ist: Es wird noch länger dauern. Es hängt davon ab, ob es gelingt, geschlossene Kühlkreisläufe zustande zu bringen. Oder ob und wie man die Einsatzkräfte weiter motivieren kann, im AKW zu arbeiten.

5) Waren die Russen besser gerüstet als die Japaner?

Kurioserweise waren die Russen technologisch besser gerüstet als jetzt die Japaner. Man hatte ferngesteuerte Roboter und sogar Mondfahrzeuge. Wenn die Japaner Fukushima nicht bald bewältigen, wird es schlimmer als Tschernobyl.
 

Wie die aktuelle Situation im GAU-AKW Fukushima aussieht lesen Sie auf der nächsten Seite.

 

Jetzt ist es bittere Gewissheit: Fukushima strahlt wie Tschernobyl – mindestens. Fische und Pflanzen werden verseucht, vor allem im Pazifik.

Es sind diese Bilder, die Angst machen. Eine Drohne filmte, wie Flammen aus einer Schaltanlage schlagen, unmittelbar vor Reaktor 4. Eine Feuersbrunst am Pazifik.

Alles kein Problem, längst gelöscht: Die beschwichtigenden Worte der japanischen Regierung glaubt schon lange niemand mehr. Jetzt musste die Atomaufsichtsbehörde (NISA) die bittere Wahrheit eingestehen: Der Störfall im AKW Fukushima hat die höchste Gefahrenstufe (7) auf der internationalen Bewertungsskala erreicht. Somit steht die Katastrophe auf einer Stufe mit Tschernobyl.

Vergiftung
Stufe 7 heißt: "Schwerste Freisetzung mit Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in einem weiten Umfeld." Die Strahlung habe "Luft, Gemüse, Leitungs- und Meerwasser" kontaminiert, erklärte ein NISA-Sprecher.

Die Behörden sprechen zwar von einer „vorläufigen“ Erhöhung der Risikostufe, doch das wird wohl eine Illusion bleiben.

Nahrungsmittel in Europa penibel geprüft
"Diese Warnstufe bedeutet langfristige Gefahr für die Menschen und die Umwelt – Tiere und Pflanzen sind absolut bedroht", sagt ABC-Abwehroffizier Otto Strele vom Bundesheer. Jahrzehntelang wird das Gebiet um Fukushima verstrahlt bleiben. Die Zone wird ewig Sperrgebiet.

Die Gefahr: Nahrung und Güter aller Art könnten verstrahlt sein. Allen voran sind Meeresfische und Pilze gefährdet. "Sie saugen Cäsium besonders stark auf", so Fachmann Strele.

"Das größte langfristige Problem in Japan ist derzeit die radioaktive Verseuchung des Pazifiks", sagt der Wissenschaftsberater der britischen Regierung, John Beddington. Diese Gefahr ist auf viele Jahre gegeben: Auch in der Ukraine sind 25 Jahre nach Tschernobyl weite Landstriche schwer verseucht.

Kontrollen
Erste Reaktion in Europa: Waren aus Japan werden nicht nur beim Produzenten geprüft. Auch in Frankfurt, Hamburg, Rotterdam und Wien wird bei der Entgegennahme der Lebensmittel ganz genau auf Strahlung getestet.

Vor Ort in Fukushima ist rasches Handeln angesagt: Das marode AKW muss abgedichtet werden. Doch die Arbeit wurde wieder verzögert: Immer wieder gibt es heftige Nachbeben. Folge: immer wieder Brände.

Gelingt die Reparatur nicht, könnte die Lage, so Experten, bald schlimmer als in Tschernobyl (1986) sein. Neue Messungen belegen: Noch sind erst 10 % der radioaktiven Menge Tschernobyls ausgetreten. Unterschied: In der Ukraine ist die gesamte atomare Belastung bei einer Explosion freigesetzt worden, in Japan ist es ein schleichender Prozess. Das Ende ist offen.

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