Analyse

Gaza-Krieg: Geiselsuche in den Terror-Tunneln

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Es wird Wochen dauern, bis Israel alle Verstecke der Hamas in Gaza ausgeschaltet hat.

Im Visier. Israels Militär durchkämmt seit Tagen das weitläufige Al-Shifa-Spital im Westen von Gaza-Stadt. Block für Block. Keller für Keller. Immer wieder dumpfe Explosionen. Israel glaubt, dass sich unter der größten Klinik im Gaza-Streifen die Kommandozentrale der Hamas befindet. Mehrere Stockwerke tief, verschachtelt wie das New Yorker U-Bahn-System, so Israels Militärsprecher Leutnant Jonathan Conricus in einem Video.

Auf mehreren Etagen unter der Erde sollen Besprechungsräume, Wohnräume sowie Lagerräume gebaut worden sein. Verschiedene Abteilungen im Krankenhaus wurden genutzt, um Raketen abzufeuern und zu lagern.

Israel beruft sich auf ­Geheimdienstinfos, Sa­tellitenaufnahmen sowie eine Audioaufnahme von Hamas-Kämpfern. In dem Handytelefonat war explizit vom Al-Shifa-Spital als Zentrale die Rede.

Gefunden wurden bisher im Radiologie-Zentrum der Klinik aber „nur“ Waffen­lager mit Kalaschnikows, Handgranaten, Sprengstoff, Schutzwesten. Ein Tunneleingang. Und Laptops. Dar­auf Aufnahmen, die sich auf Geiseln beziehen, die von der Hamas gefangen genommen wurden.

Einsatz: Sprengstoff-Gel und Mini-Roboter

Neue Indizien. In einem Nachbargebäude des Spitals haben die Soldaten auch die Leiche von Yehudit Weiss (64) entdeckt. Die Frau war am 7. Oktober bei dem Massaker der Hamas aus dem israelischen Kibbuz Be’eri entführt und nach Gaza City gebracht worden. Auch die 19-jährige Noa Marciano wurde in der Nähe des Krankenhauses tot geborgen – die Soldatin wurde im Grenzgebiet entführt.

Vor dem weitläufigen Komplex mehrere versteckte Tunnel-Eingänge. Einige der unterirdischen Bunker seien direkt vom Krankenhaus zugänglich, die Klinik sei an das kilometerlange Tunnelnetz der Hamas angeschlossen, heißt es. Auf Videos ist zu sehen, wie Israels Armee vorgeht: Erst werden Miniroboter in das Tunnelsystem gelassen – auf der Suche nach Sprengfallen.

Sind die Eingänge ausgekundschaftet, wird „Emulsa“-Sprengstoff reingepumpt: Das ist ein ­gelatinartiger Sprengschaum, der sich in jede Ritze legt. Dann Zündung.

Abwarten. Kämpfe in ­Tunneln versuchte die Armee bisher zu vermeiden: „Wir wissen, dass sie uns viele Sprengfallen hinterlassen haben“, sagen die Militärs. Eine solche Bombe, angebracht an der Abdeckung eines Tunnelschachts, hatte zuletzt vier Reservisten einer Spezialeinheit getötet.

›Spital von Hamas als Schutzschild genützt‹

Geiseln. Zu jedem Tunnel führen Dutzende Schächte in Tiefen zwischen 20 und 80 Metern. Zugangsschächte und Tunnel werden kartiert, markiert. Etwa 130 Schächte sind bisher zerstört worden. So weit es möglich ist, werde genau darauf geachtet, Tunnel, in denen sich Geiseln befinden könnten, nicht zu attackieren: „Manchmal erhalten wir Hinweise darauf, dass ein Ziel mit Geiseln in Zusammenhang stehen könnte. Dann greifen wir es nicht an.“

Schutzschild. Israel wird für den Kampf in und um das Spital heftig kritisiert. Laut Völkerrecht haben medizinische Einrichtungen auch im Krieg einen besonderen Schutz. Sie dürfen nicht angegriffen werden, dürfen aber auch nicht für militärische Zwecke missbraucht werden: „Die Hamas nützt das Spital als gigantischen Schutzschild“, so Israel. In den Bunkern unter der Klinik können Hunderte Menschen versteckt werden.

Doch selbst in Tel Aviv gibt es inzwischen Demos, die einen sofortigen Waffenstillstand fordern, um weiter und intensiver über das Schicksal der Geiseln zu verhandeln. Das allerdings lehnt Israel (noch) ab.

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