Brisante Dokumente

Geheime US-Einheit auf Taliban-Jagd

26.07.2010

Die Internet-Plattform WikiLeaks veröffentlichte Geheimdokumente zu Afghanistan.

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Die Veröffentlichung Tausender US-Dokumente auf der Internet-Plattform Wikileaks hat zahlreiche geheime Vorgänge im Afghanistan-Einsatz aufgedeckt. Die Informationen stammen aus amerikanischen Militärdatenbanken und belegen, dass es viele Pannen bei Geheimoperationen gegeben hat. Auch legen die in der Nacht auf Montag veröffentlichten Dokumente offen, dass eine bisher unbekannte US-Einheit Jagd auf die Taliban macht. Das Magazin "Der Spiegel", die "New York Times" und der "Guardian" hatten die Unterlagen zugespielt erhalten.

Hier gibt's die Dokumente von Wikileaks.

Die US-Regierung verurteilte die Veröffentlichung der knapp 92.000 Protokolle. Diese "gefährden das Leben von Amerikanern und das unserer Partner", teilte das Weiße Haus mit. "Der Spiegel" kommt nach Auswertung der Unterlagen zu dem Schluss, dass die deutsche Öffentlichkeit nicht umfassend über die tatsächliche Lage im Norden Afghanistans informiert wird. Dort befindet sich das Einsatzgebiet der Bundeswehrsoldaten.

Britischer Außenminister spielt Bericht herunter
"Die Berliner Stellen schweigen über viele Vorkommnisse, die nicht unmittelbar deutsche Soldaten, wohl aber die Region betreffen, in der sie stationiert sind. Sie sind aber besonders aussagekräftig für die wahre Lage", heißt es in dem Magazin. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle kündigte unterdessen beim Rat seiner EU-Ressortkollegen in Brüssel an, die jüngsten Veröffentlichungen von US-Geheimakten zum Afghanistan-Einsatz von WikiLeaks genau prüfen zu lassen. Er sehe sich in seiner Haltung bestärkt, dass die Lage in Afghanistan außerordentlich ernst sei. Er habe auch immer davor gewarnt, dass mit Rückschlägen gerechnet werden müsse.

Der britische Außenminister William Hague spielte dagegen den Bericht herunter. Er hoffe aber, dass solche Veröffentlichungen nicht die Atmosphäre vergifteten.

Keine Hinweise auf "Gewaltexzesse"
Die Militärprotokolle legen laut "Spiegel" unter anderem die Arbeit eines US-Geheimkommandos offen: Die US-Eliteeinheit namens Task Force 373 mache in Afghanistan gezielt Jagd auf mutmaßliche Taliban und andere Aufständische. Dabei komme es immer wieder zu verheerenden Irrtümern: So gehe aus einem Bericht vom 17. Juni 2007 hervor, dass bei einem Raketenangriff auf eine Koranschule anstelle eines gesuchten Al-Kaida-Funktionärs sieben Kinder getötet worden seien.

Hinsichtlich des deutschen Einsatzes enthielten die Protokolle keine Hinweise auf "bisher unbekannte Gewaltexzesse etwa gegenüber der Zivilbevölkerung und auch keine illegalen Geheimoperationen, an denen die Deutschen teilgenommen hätten", schreibt das Magazin.

Besonders heikel dürften für die US-Regierung wie auch für Pakistan jene Dokumente sein, die eine enge Zusammenarbeit zwischen den Taliban und dem pakistanischen Geheimdienst ISI belegen sollen. Die veröffentlichten Berichte "zeigen nicht die gegenwärtigen Realitäten", sagte Pakistans Botschafter in den USA, Husain Haqqani, mit Blick auf den amerikanischen Strategiewechsel. Die Dokumente beziehen sich nach Angaben des Weißen Hauses auf den Zeitraum von Jänner 2004 bis Dezember 2009, Obama stellte die neue Afghanistan-Strategie der USA am 2. Dezember 2009 vor.

Gefahren für nationale Sicherheit?
Die Vereinigten Staaten, Afghanistan und Pakistan "bemühen sich gemeinsam Al-Kaida und seine Taliban-Verbündeten militärisch und politisch zu besiegen", fügte Haqqani hinzu. Zuvor hatte der Sicherheitsberater des Weißen Haus, General Jim Jones eine engere Partnerschaft mit Afghanistan gepriesen. "Die Kooperation im Anti-Terroreinsatz haben der Al-Kaida-Führung erhebliche Schäden zugefügt."

Die US-Regierung wird nach Informationen der Nachrichtenagentur AP in den nächsten Tagen die veröffentlichten Dokumente auswerten. Dabei soll herausgefunden werden, ob möglicherweise Gefahren für die nationale Sicherheit bestehen könnten. Nach AP-Informationen ist sich die US-Regierung nicht sicher, woher die Dokumente stammen.

3.000 Euro pro Monat für WikiLeaks
Der Afghanistan-Coup könnte jedenfalls die Kassen von Wikileaks füllen. Die Internet-Plattform von Julian Assange will nach eigenen Angaben den Mächtigen genauer auf die Finger schauen und Skandale aus dem Verborgenen an die Öffentlichkeit zerren. Vergangenen Herbst sah es für die Finanzen von WikiLeaks nicht gut aus, über ein Spendenkonto kamen lediglich maximal 3.000 Euro monatlich zusammen. Die Veröffentlichung von US-Militärdokumenten über den Afghanistan-Einsatz könnte aber helfen, die Finanzierung für die nächsten Jahre sicherzustellen.

Allerdings tut sich für die Weltverbesserer eine andere Lücke auf: Es fehlt an vertrauenswürdigen Mitstreitern, die Dokumente überprüfen. "Wir erhalten jede Menge hochrangige Enthüllungen der Informanten", sagte Assange. "Wir haben aber nicht genügend Leute, um diese Informationen verarbeiten zu können."

"Hinweise auf Kriegsverbrechen"
In den mehr als 90.000 Akten "scheinen Beweise von Kriegsverbrechen zu sein", sagte Assange am Montag vor Reportern in London. Konkrete Beispiele nannte er aber nicht. "Es ist Sache eines Gerichts, wirklich zu entscheiden, ob am Ende etwas ein Verbrechen ist." Das Portal veröffentlichte die Geheimakten aus den vergangenen sechs Jahre über den Militäreinsatz in Afghanistan.

Der Wikileaks-Chef verglich die Folgen dieser Veröffentlichung mit der Freigabe von Überwachungsprotokollen der DDR-Staatssicherheit. "Dies ist gleichbedeutend mit der Öffnung der Stasi-Archive." Die nun veröffentlichten Militärakten über den Afghanistan-Einsatz würden zum Verständnis der jahrelangen Kämpfe am Hindukusch beitragen.

Das hohe Ausmaß der zivilen Opfer sei in den Afghanistan-Akten nicht korrekt dokumentiert, sagte Assange weiter. Mitarbeiter des US-Militärs hätten die Zahlen "heruntergespielt" oder als Opfer aufseiten der Rebellen eingetragen. Assange wies Kritik der USA zurück, die Veröffentlichung gefährde das Leben der in Afghanistan stationierten Soldaten. "Das gesamte Material ist mehr als sieben Monate alt. Insofern hat es für gegenwärtige Militäroperationen keine Konsequenzen."

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