Kursk als Symbol
"Gerechter Frieden": Selenskyj äußert sich zu Ende der Offensive
13.08.2024Russlands Streitkräfte haben nach eigenen Angaben mit Luftangriffen den Vormarsch ukrainischer Truppen im russischen Gebiet von Kursk vorerst gestoppt.
Die Ukraine dagegen erklärte, die Offensive würde erst enden, wenn Russland einem "gerechten Frieden" zustimme. Russische Kriegsblogger berichteten am Dienstag von intensiven Kämpfen entlang der Front in der Region. Nach ukrainischen Angaben brachte Russland Soldaten und schwere Waffen in Stellung und konnte Angriffe abwehren.
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"Je eher sich Russland bereit erklärt, einen gerechten Frieden wiederherzustellen, insbesondere auf der Grundlage der Friedensformel, die zu diesem Frieden führt, desto eher werden die Angriffe der ukrainischen Verteidigungskräfte auf russisches Gebiet aufhören", sagte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tykhyj, am Dienstag in einem Medienbriefing in Kiew. Das Ziel des Angriffs sei nicht die Eroberung fremder Gebiete, sondern der Schutz des Lebens der ukrainischen Bevölkerung und der Schutz des eigenen Territoriums vor russischen Angriffen. Die Aktionen der Ukraine seien absolut legitim, da die Streitkräfte nicht gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen.
Unkontrollierter Vorstoß gestoppt
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Aufnahmen von Suchoi Su-34-Bombern, die angeblich ukrainische Truppen in dem russischen Grenzgebiet angriffen, und von Infanterie, die ukrainische Positionen stürmte. "Der unkontrollierte Vorstoß des Feindes wurde bereits gestoppt", sagte Generalmajor Apti Alaudinow, Kommandant der tschetschenischen Spezialeinheit Achmat. "Der Feind weiß bereits, dass sein geplanter Blitzkrieg nicht funktioniert hat."
Es war unklar, welche Seite die russische Stadt Sudscha kontrolliert, durch die Russland Gas aus Westsibirien durch die Ukraine in die Slowakei und andere EU-Länder liefert. Gazprom teilte am Dienstag mit, dass weiterhin Gas durch Sudscha in die Ukraine gepumpt werde. Der Pipeline-Betreiber Gas Connect Austria sah keine Unterbrechungen in den Erdgaslieferungen nach Österreich.
28 Siedlungen unter Kontrolle
Der Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, hatte am Montag erklärt, die Ukraine kontrolliere 28 Siedlungen in der Region. Der Einfall sei etwa zwölf Kilometer tief und 40 Kilometer breit. Nach ukrainischen Angaben wurden 1.000 Quadratkilometer russischen Gebiets eingenommen, mehr als das Doppelte der von Smirnow angegebenen Zahlen. Vor einer Woche hatten ukrainische Soldaten überraschend die russische Grenze durchbrochen.
Präsident Wladimir Putin hatte gesagt, der Angriff ziele darauf ab, die Verhandlungsposition Kiews vor möglichen Gesprächen zu verbessern und den Vormarsch russischer Kräfte an der Front auf ukrainischem Gebiet zu verlangsamen. Putin erteilte Verhandlungen aber am Montag eine Absage. "Über welche Art von Verhandlungen können wir überhaupt mit Leuten reden, die wahllos Zivilisten und zivile Infrastruktur angreifen oder versuchen, Atomkraftwerke zu gefährden?" In seiner Residenz Nowo-Ogarjowo bei Moskau sagte Putin führenden Beamten, Russland werde die ukrainischen Truppen vertreiben und versprach eine "angemessene Antwort".
Mindestens 200.000 Menschen evakuiert
Die russische Regierung ließ aus der Region mindestens 200.000 Menschen evakuieren, schickte Reserven und verhängte eine Sicherheitssperre. 11.000 Zivilisten sind zudem in der Nachbarregion Belgorod nach Angaben der dortigen Behörden evakuiert worden. Die örtlichen Behörden bereiteten zudem die Evakuierung eines weiteren Landkreises vor, wie Verwaltungschef des Kreises Bolschoje Soldatskoje (Bolschesoldatski rajon), Wladimir Sajzew, auf Telegram bekannt gab. Anders als die bisher evakuierten Landkreise der Region Kursk liegt dieser Kreis nicht in unmittelbarer Nähe der ukrainisch-russischen Grenze, sondern weiter landeinwärts.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner nächtlichen Video-Ansprache, die Operation in Russland sei eine Frage der ukrainischen Sicherheit. Die Region Kursk sei von Russland genutzt worden, um viele Angriffe gegen die Ukraine zu starten. In der Nacht griff sie mit Drohnen an und Bodentruppen versuchten, die russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, um weiteres Gelände unter ihre Kontrolle zu bringen.
Kursk als Symbol
"Deshalb sind unsere Operationen eine reine Sicherheitsfrage für die Ukraine, um die Grenze vom russischen Militär zu befreien", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. Kursk werde zum Symbol vom Anfang und Ende des russischen Präsidenten Putin, sagte Selenskyj mit Blick auf die Katastrophe beim Untergang des modernsten russischen Atom-U-Boots "Kursk", das im August 2000 mit 118 Besatzungsmitgliedern an Bord gesunken war. "Vor 24 Jahren gab es die Kursk-Katastrophe, die den symbolischen Beginn seiner Herrschaft darstellte; jetzt sehen wir das Ende davon - und es ist wieder Kursk."
Fernab des Kriegsgeschehens um die westrussische Region Kursk wurden die Angriffe rund um den Donbass im Osten der Ukraine fortgesetzt. In der Stadt Lyssytschansk wurden nach russischen Angaben bei ukrainischem Beschuss zwei Menschen getötet. Das meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die Behörden in der Stadt, die unter russischer Kontrolle steht. Zuvor haben von Russland installierte Vertreter der Verwaltung von mehr als 30 Verletzten gesprochen.
Großstadt Ziel eines Raketenangriffs
Die ostukrainische Großstadt Sumy ist nach Behördenangaben in der Nacht auf Dienstag Ziel eines russischen Raketenangriffs gewesen. Es seien Objekte der Infrastruktur getroffen worden, teilte die Militärverwaltung des Gebietes Sumy auf Telegram mit. Angaben über mögliche Treffer auf militärische Ziele macht die ukrainische Seite prinzipiell nicht. Über Sumy werden die ukrainischen Truppen versorgt, die seit mehr als einer Woche im russischen Nachbargebiet Kursk operieren. Der ukrainische Generalstab verfügte eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Bewohner von Teilen Sumys in einem Radius von 20 Kilometern. Zur Begründung hieß es, in dem Gebiet sei mit russischer Sabotage und Aufklärung zu rechnen.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe setzte die russische Armee in der Nacht zwei ballistische Iskander-Raketen und 38 Kampfdrohnen gegen die Ukraine ein. 30 Drohnen seien abgefangen worden, hieß es. In weiten Teilen der Ukraine hatte nachts Luftalarm gegolten.