Premier schlägt Auflösung der Muslimbrüder vor. Lage eskaliert weiter.
In Ägypten spitz sich der Machtkampf zwischen dem Militär und der Muslimbruderschaft weiter zu. Der ägyptische Übergangspremier Hazem al-Beblawi will offenbar die Muslimbruderschaft verbieten lassen. Beblawi haben dem für die Zulassung von Nichtregierungsorganisationen zuständigen Sozialminister den Vorschlag unterbreitet, die Vereinigung auflösen zu lassen, erklärte eine Regierungssprecher am Samstag. Die Regierung müsse nun die Sache beraten.
Sohn des Muslimbruder-Oberhauptes bei Unruhen gestorben
Nach dem Tod von mehr als 173 Menschen am "Tag des Zorns" richtet sich Ägypten auf weitere Gewaltausbrüche ein. Die Muslimbrüder des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi riefen zu einer Woche landesweiter Proteste auf, die am Samstag beginnen sollte. Bei Zusammenstößen waren am Freitag nach Angaben der Regierung 1004 Islamisten festgenommen worden. Der Tod des Sohnes von Muslimbrüder-Oberhaupt Mohammed Badie, der bei den Unruhen tödlich verwundet wurde, dürfte die Situation noch zusätzlich verschärfen. Ebenso wie die Ankündigung der Übergangsregierung, über eine Auflösung der Muslimbruderschaft beraten zu wollen.
VIDEO: Tag der Wut in Ägypten
Nervenkrieg um belagerte Moschee
Besonders gespannt war die Lage in der Kairoer Al-Fath-Moschee, in der Hunderte Mursi-Anhänger die Nacht über ausharrten und die von Sicherheitskräften umstellt war. Samstagfrüh verließen viele von ihnen zwar das Gebäude, rund 700 Personen befanden sich allerdings auch zur Mittagszeit noch im Inneren des Gotteshauses. Aus Angst vor Übergriffen aufgebrachter Bürger und Schlägerbanden wagten sie sich nicht aus der Moschee heraus.
Eskaliert war die Gewalt am Mittwoch nach der Räumung zweier Protestcamps, in denen seit Anfang Juli Tausende Menschen ausgeharrt hatten und die Wiedereinsetzung des vom Militär entmachteten Mursi forderten. Seitdem kamen offiziellen Angaben zufolge mehr als 700 Menschen ums Leben, allein am Freitag, dem "Tag des Zorns", waren es nach Angaben des Gesundheitsministeriums 173, davon 95 in Kairo.
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Bei der Räumung von Protestcamps in Kairo sind am Mittwoch mehr als hundert Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi getötet worden. Polizei, Armee und Mursi-Anhänger liefern sich Straßenschlachten im ganzen Land.
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Regierung wirft Islamisten "terroristische Pläne" vor
Die Regierung wirft den Islamisten terroristische Pläne vor. Wie am Samstag bekannt wurde, hat Übergangspremier Hazem el-Beblawi dem für die Zulassung von Nichtregierungsorganisationen zuständigen Sozialminister die Auflösung der Muslimbruderschaft vorgeschlagen. Die Regierung müsse nun über den Vorstoß beraten, teilte eine Regierungssprecher mit. Welche Auswirkungen ein Verbot der Muslimbruderschaft auf ihren politischen Arm, die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit haben würde, war vorerst unklar.
Die Muslimbrüder widersprachen Vorwürfen, in ihren Reihen kämpften bewaffnete Männer. Diese seien von den Sicherheitskräften eingeschleust worden. Die Muslimbrüder dementierten auch Anschuldigungen, eine katholische und eine anglikanische Kirche angegriffen zu haben. Etwa zehn Prozent der 84 Millionen Ägypter sind Christen. In den vergangenen beiden Tagen sollen Islamisten in acht Provinzen mindestens 32 Kirchen "völlig zerstört, angezündet oder verwüstet", wie Kathpress unter Verweis auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen auf Al-Jazeera berichtete.
Internationale Kritik an Gewalt
International nimmt die Kritik am gewaltsamen Vorgehen der ägyptischen Sicherheitskräfte immer mehr zu. Die USA verurteilten die Gewalt und sagten ein gemeinsames Manöver ab, kürzten die Militärhilfe von 1,3 Milliarden Dollar pro Jahr aber nicht. Deutschland, Frankreich und auch Österreich kündigten an, die EU-Außenminister sollten in der kommende Woche über die Zusammenarbeit mit Ägypten beraten. Angesichts der Situation seien "andere Töne der EU" nötig, man könne "nicht einfach zusehen", sagte Außenminister Spindelegger (ÖVP) am Freitag zur APA. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bat die europäischen Regierungen, über "angemessene Maßnahmen" als Antwort auf die Gewalt in Ägypten zu beraten.
Überraschende Unterstützung für die Militärführung kam aus Saudi-Arabien, wo die besonders puristische Islamauslegung des Wahhabismus dominiert. Die Muslimbrüder würden versuchen, Ägypten zu destabilisieren, erklärte der saudi-arabische König Abdullah.
Österreich ruft Reisewarnung aus
Österreich hat am Freitagnachmittag eine generelle Reisewarnung für ganz Ägypten herausgegeben. Diese gelte jedoch nur für geplante Reisen, Urlauber die sich bereits im Land befänden, könnten ihren Urlaub fortsetzen, so Spindelegger. Die Lage in den Urlaubsgebieten Hurghada und Sharm el-Sheikh sei vorerst ruhig. In Hurghada war es am Freitag zu Ausschreitungen gekommen, bereits am Mittwoch war ein Mitglied der Muslimbrüder getötet worden.
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