Nach Angaben aus amerikanischen Delegationskreisen dauerte das Treffen drei Stunden und 21 Minuten - weniger, als beide Seiten vorher in Aussicht gestellt hatten.
Genf. Das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Genf ist zu Ende. Nach Angaben aus amerikanischen Delegationskreisen dauerte das Treffen drei Stunden und 21 Minuten - weniger, als beide Seiten vorher in Aussicht gestellt hatten. Die russische Delegation hatte sich auf mindestens vier bis fünf Stunden Gespräche eingestellt. Es war der erste Gipfel der Präsidenten der größten Atommächte seit Bidens Amtsantritt im Jänner.
Biden und Putin trafen einander gegen 14.00 Uhr in einer Villa am Genfer See, wo sie sich zu Beginn für Fotografen kurz die Hände schüttelten. Nach rund eineinhalb Stunden war die erste Gesprächsrunde vorbei, an der auch die beiden Außenminister Antony Blinken und Sergej Lawrow sowie Übersetzer teilnahmen.
Es sei immer besser, sich direkt zu treffen, sagte Biden zum Auftakt. Putin hoffte, dass "das Treffen produktiv sein wird". Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind derzeit äußerst angespannt, Vertreter beider Regierungen hatten zuvor die Erwartungen an die Gespräche gedämpft. Biden hatte Putin zu dem Gipfel eingeladen, um dem russischen Präsidenten "rote Linien" aufzuzeigen. Allerdings wollen die Präsidenten der beiden größten Atommächte auch über gemeinsame Interessen sprechen.
Für die erste Gesprächsrunde waren 75 Minuten vorgesehen gewesen. In einer zweiten Runde wollten Biden und Putin nach einer Pause mit einem erweiterten Kreis ihrer Delegationen zusammenkommen. Daran sollten von russischer Seite Lawrow, der Botschafter Anatoli Antonow, Generalstabschef Waleri Gerassimow und der Vizechef der Präsidialverwaltung, Dmitri Kosak, der auch für den Ukraine-Konflikt zuständig ist, teilnehmen. Auch Putins Sonderbeauftragter für Syrien, Alexander Lawrentjew, sollte dabei sein.
Der US-Sender CNN berichtete, auf US-Seite sollten an der zweiten Gesprächsrunde neben Biden und Blinken auch der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, die Top-Diplomatin Victoria Nuland, Russland-Berater Eric Green und der US-Botschafter in Moskau, John Sullivan, teilnehmen. Die Gespräche am Mittwoch waren nach Angaben aus dem Weißen Haus und dem Kreml auf insgesamt vier bis fünf Stunden angesetzt. Danach wollten Biden und Putin in Genf getrennt vor Journalisten treten.
Zu Beginn des Treffens in der Villa La Grange hatte der Schweizer Präsident Guy Parmelin beide Staatschefs einzeln begrüßt und dann noch einmal gemeinsam in der "Stadt des Friedens" willkommen geheißen. Er wünsche den Präsidenten einen fruchtbaren Dialog, im Interesse der beiden Länder und der gesamten Welt. "Alles Gute", sagte Parmelin und richtete danach noch kurze Worte auf Russisch und Englisch an Putin und Biden.
Putin sagte beim Fototermin in der Bibliothek der Villa zu Beginn: "Herr Präsident, ich möchte Ihnen danken für die Initiative zu dem heutigen Treffen." Er hoffe, dass die Gespräche produktiv würden. "Ich weiß, Sie hatten eine weite Reise. Viel Arbeit. Nichtsdestotrotz haben sich in den russisch-amerikanischen Beziehungen viele Fragen angestaut." Biden erwiderte: "Ich denke, es ist immer besser sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen." Der US-Präsident versuchte öfter für die Fotografen zu lächeln, Putin schaute zumeist ernst nach unten.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist seit längerer Zeit zerrüttet. Der Gipfel mit Putin ist das erste Treffen der beiden Präsidenten seit Bidens Amtsantritt Anfang des Jahres. Mit der Wahl der Villa La Grange bemühte sich die Schweiz als Gastgeberin, beide Teilnehmer gleich zu behandeln. Die Villa aus dem 18. Jahrhundert, die seit dem Jahr 1917 im Besitz der Stadt Genf steht, ist nämlich aufgrund ihrer Architektur exakt in zwei gleiche Teile teilbar. Damit soll sich keiner der beiden Gipfelteilnehmer benachteiligt fühlen.
Zu den Knackpunkten in den russisch-amerikanischen Beziehungen gehören die Entwicklungen in der Ukraine sowie der Umgang der russischen Regierung mit dem Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der derzeit in Haft sitzt. Wie die Europäische Union fordern auch die USA ein Ende der Kämpfe in der Ostukraine sowie die Rückgabe der von Russland annektierten Halbinsel Krim. EU und USA setzen sich zudem für die Freilassung Nawalnys ein. Auch die Entwicklungen in Syrien und in Belarus (Weißrussland) sowie der Kampf gegen Cyber-Kriminalität entzweien die USA und Russland.
Geplant sind in der Villa La Grange am Genfersee auch Gespräche über die strategische Stabilität in der Welt. Experten erwarten, dass Putin und Biden neue Verhandlungen für eine atomare Abrüstung und für eine Kontrolle der Waffenarsenale anstoßen könnten. Fortschritte könnte es auch in punkto Gefangenenaustausch und im diplomatischen Dienst geben.
Zum Auftakt des Gipfels meldete sich in Österreich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu Wort. Sie wertete das Treffen auf Twitter als wichtigen Schritt, Konflikte zu überwinden. "Deeskalation im Nahen Osten, nukleare Abrüstung, Steuergerechtigkeit, Klimawandel. Die großen Themen der Zukunft brauchen einen Neustart in den internationalen Beziehungen", betonte die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat.
Der US-Präsident ist seit dem späten Dienstagnachmittag in Genf, Putin landete am Mittwochmittag. Biden hatte sich in den vergangenen Tagen bei Verbündeten bei der G7-Gruppe wichtiger Industriestaaten, bei der NATO und bei der EU der Unterstützung für sein Treffen mit Putin versichert. "Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich dafür entscheidet", sagte Biden nach dem NATO-Gipfel in Brüssel. "Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen, klarmachen, was die roten Linien sind."
Putin und Biden sehen das von zahlreichen Sanktionen überschattete Verhältnis ihrer Länder übereinstimmend auf einem "Tiefpunkt". Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte am Mittwoch der Staatsagentur Tass: "Selbst in der Zeit der sowjetischen Geschichte haben wir nie einen solchen Mangel an Kontakten gehabt.". Diesen Mangel an Dialog gebe es nun "vor dem Hintergrund eines wachsenden Konfliktpotenzials in der Welt". Putins Sprecher verwies auf dringende weltweite Themen wie "regionale Konflikte, Abrüstungsprobleme, Probleme im Bereich der strategischen Stabilität, Rüstungskontrolle".