377 Soldaten im Krisengebiet
Golan: Streit um Abzug unserer Blauhelme
08.06.2013Herbe Kritik von Ex-Militärs am Abzug: Österreich soll Zeitplan überdenken.
Wer die 377 österreichischen Blauhelme in der Pufferzone zwischen Israel und Syrien am Golan ersetzen wird, ist offen. Fix ist aber, dass die Mission fortgeführt wird, darüber herrscht im UN-Sicherheitsrat Einigkeit.
Mark Grant, britischer UN-Botschafter, bittet Wien deshalb, unsere Truppen langsamer als geplant abzuziehen. Auch die USA appellieren an Österreich, die „Entscheidung mit der UNO zu koordinieren“.
Nach Angaben von SP-Verteidigungsminister Gerald Klug ist der Abzug binnen vier Wochen geplant. Bereits am 11. Juni sollen erste Truppen zurückgeholt werden.
Ein Blitzabzug, der auch in Österreich heftig umstritten ist. Ex-Generalstabschef Edmund Entacher sagt im ÖSTERREICH-Interview: „Aus militärischer Sicht ist dieser Schritt nicht notwendig.“ Und: „Unsere Soldaten sind unschuldig, sie laufen nicht davon.“ Das sei eine politische Entscheidung, die es umzusetzen gilt.
Streit innerhalb der ÖVP um überstürzten Abzug
Ebenso scharf kritisiert Miliz-Brigadier Michael Schaffer die Vorgangsweise: „Man hätte zumindest abwarten sollen, ob die UN ihr Mandat am Golan verändert. Unsere Soldaten wären durchaus bereit, auch ein robusteres UN-Mandat auszuführen“, sagt er zu ÖSTERREICH.
Scharf auch Ex-VP-Verteidigungsminister Günther Platter, Tirols Landeshauptmann: „Die Sicherheit unserer Soldaten geht vor, aber nur aus einem Bauchgefühl heraus zu entscheiden, ist falsch“, argumentiert er. „Ich bin für eine Prüfung des Abzugs im Sinne der Solidarität mit der Staatengemeinschaft.“
Platter geht damit auf Konfrontationskurs mit seinem Parteichef Michael Spindelegger. Der sagte zu ÖSTERREICH: „Der Abzug ist keine spontane Entscheidung. Wir haben das oft angekündigt. Bis Tirol hat sich das noch nicht herumgesprochen.“
Autor: Karl Wendl
Vizekanzler: "Rückkehr nicht ausgeschlossen."
ÖSTERREICH: Es gibt jetzt Kritik aus Israel wegen der Rückzugs-Entscheidung.
Michael Spindelegger: Ich verstehe das. Schließlich geht es Israel um seine Sicherheit. Was ich nicht verstehe, ist, dass jetzt viele überrascht tun. Wir haben von Anfang an gesagt: Wenn das EU-Waffenembargo fällt, wird es für uns sehr schwer, die Mission weiterzuführen.
ÖSTERREICH: Kritik kommt von Ex-Verteidigungsminister Platter – jetzt Tiroler Landeshauptmann.
Spindelegger: Offenbar hat es sich bis nach Innsbruck noch nicht durchgesprochen, dass die Mission unter diesen Bedingungen nicht weiterzuführen ist.
ÖSTERREICH: Sollte man stärker bewaffnete Soldaten hinschicken?
Spindelegger: Man wird etwas am Mandat ändern müssen. Egal wer uns nachfolgt: Er soll es ja besser haben als wir.
ÖSTERREICH: Ist Österreich international blamiert?
Spindelegger: Nein, wir sind in gefährlichen Missionen im Kosovo, im Libanon. Und wir bleiben! Aber ich gebe zu: Lustig war diese Entscheidung nicht.
ÖSTERREICH: Ist eine Rückkehr möglich?
Spindelegger: Ausgeschlossen ist eine Rückkehr auf den Golan nicht, wenn sich die Voraussetzungen ändern. Aber jetzt bleibt es beim Abzug.
ÖSTERREICH: Minister Klug rechnet mit vier Wochen – die UNO bat uns, länger zu bleiben.
Spindelegger: Wir wollen eine ordentliche Übergabe an unsere Nachfolger. Wenn das sechs Wochen dauert, gut. Wenn aber niemand gefunden wird, sehe ich nicht ein, warum wir nicht schon früher abziehen.
ÖSTERREICH: Zum Hochwasser: Hält das Budget?
Spindelegger: Wir wissen ja die Schadenssummen noch gar nicht. Ich bin dafür, jetzt rasch Schadenskommissionen in betroffene Gebiete zu schicken, damit wir einen Überblick haben.
ÖSTERREICH: Garantieren Sie, dass kein Hochwasseropfer übrig bleibt?
Spindelegger: Ja. Jeder muss einen Beitrag leisten – aber es darf nicht sein, dass jemand die Existenz durch das Hochwasser verliert.
ÖSTERREICH: Braucht es eine Hochwassersteuer?
Spindelegger: Die Steuerzahler haben immer Solidarität gezeigt, aber ich rechne nicht damit. Es kann natürlich sein, dass das Defizit wegen des Hochwassers steigt.
Interview. G. Schröder