Türkei

Grenzen für syrische Flüchtlinge bleiben zu

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In der Grenzstadt Kilis warten Syrer auf die Öffnung der Tore.

Anas Alrawaf wartet vor dem Zaun um Einlass. Seit Wochen schon, so erzählt der 36-jährige Syrer, komme er täglich hierhin, in der Hoffnung, dass der türkisch-syrische Grenzübergang Öncüpinar im türkischen Kilis endlich geöffnet wird. "Meine Frau und meine vier Kinder sind noch drüben. Ich werde verrückt vor Sorge", sagt der Lehrer aus dem umkämpften Aleppo, das nur eine Autostunde entfernt ist.

Flüchtlingsstadt
Kilis ist die türkische Flüchtlingsstadt schlechthin. Rund 130.000 Menschen lebten in der gleichnamigen Provinz nahe der syrischen Grenze, mittlerweile sind fast genauso viele Flüchtlinge hier. Wer hier durch die Straßen geht, hört mancherorts mehr Arabisch als Türkisch, syrische Kinder ohne Schuhe verkaufen an diesen Wintertagen am Busbahnhof Lebensmittel. Einer von ihnen ist der vierzehnjährige Flüchtlingsbub Ahmad, der mit nackten Füssen von Bus zu Bus läuft, und Kekse verkauft. Sein Vater, so sagt er, sei im Bürgerkrieg tödlich verletzt worden. "Ich muss arbeiten, um meine Mutter und meine drei Schwestern zu unterstützen", sagt der zierliche Bursche.

Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt
Einheimische erzählen, dass die Mieten in die Höhe geschnellt und die Syrer eine belastende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt geworden seien. Ein Regierungsvertreter bezeichnete Kilis auch schon als "syrische Stadt". Aber die Menschen in Kilis sprechen auch immer wieder von der Solidarität den "muslimischen Brüdern und Schwestern" gegenüber und fordern dringend Hilfe aus Europa. Denn die Zahl der Flüchtlinge steigt von Stunde zu Stunde - und diejenigen, die es in die Türkei nach Kilis geschafft haben, warten darauf, dass endlich die Türen geöffnet werden. Auch an diesem Nachmittag stehen dutzende Syrer am Grenzübergang Öncüpinar, und verfolgen jede Bewegung an dem Tor.

Eskalation
Denn der Konflikt steuert auf eine weitere Eskalation zu. Mit dem Vorrücken von Bashar al-Assads Truppen im Norden mit Unterstützung russischer Truppen und den Luftangriffen Ankaras gegen kurdische Stellungen im Norden des Gebiets machen sich Zehntausende weitere Menschen auf den Weg in Richtung Türkei. Ankara drohte am Montag mit einem Militäreinsatz im Nachbarland, sollten Kurdenmilizen ihren Vormarsch fortsetzen, was eine weitere Flüchtlingswelle nach sich ziehen dürfte.

Aber die türkischen Behörden lassen niemand passieren - das große eiserne Tor in Öncüpinar bleibt für Flüchtlinge wie Anas Alrawaf geschlossen. Lediglich türkische Lastwagen dürfen nach Syrien, um Hilfsgüter und Baumaterial zu liefern - und nur kranke oder verwundete Syrer dürfen herüber auf türkischen Boden, um hier behandelt zu werden. "Unsere Türen sind nicht geschlossen", sagte der Gouverneur von Kilis, Suleyman Tapsiz, vor Journalisten. "Aber momentan besteht keine Notwendigkeit, diese Leute aufzunehmen."

Drei Millionen Menschen
Mehr als zweieinhalb Millionen syrische Flüchtlinge hat die Türkei stillschweigend aus Syrien aufgenommen, ohne dass es nennenswerte innenpolitische Diskussionen darüber gegeben hätte. Doch damit ist es vorerst vorbei. "Wir sollen alle reinlassen, die vor unserer Tür sind, fordern die Vereinten Nationen", sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vergangene Woche. "Wenn es so leicht ist, warum macht Ihr es nicht? Wir haben bis heute aus dem Irak und aus Syrien drei Millionen Menschen aufgenommen", kritisierte er die internationale Gemeinschaft. Und weiter: "Welches Land hat überhaupt Flüchtlinge aufgenommen? Ihr sprecht von 300, 500 oder 1.000 Menschen. Wir aber haben drei Millionen aufgenommen."

Politisches Druckmittel
Mittlerweile sind die Flüchtlinge zu einem politischen Druckmittel geworden, und Ankaras Politik der offenen Türen ist nun beendet. Die Türkei und Syrien teilen sich eine 900 Kilometer lange Grenze. Eine Mauer soll fortan die Türkei gegen den Andrang der Flüchtlinge, aber auch gegen das Eindringen der Jihadisten des "Islamischen Staates" (IS) schützen. So stehen in der kargen Landschaft graue Betonteile bereit. Diese werden Stück für Stück zu einem Wall montiert.

"Endgültig verloren"
Von den Hügeln ist ferner Rauch zu sehen, der aus dem umkämpften Syrien heraufsteigt. Zusätzlich zu der Mauer befindet sich als weitere Abwehrmaßnahme zwischen dem syrischen und dem türkischem Boden eine mehrere Hundert Meter weite Freifläche, die mit Stacheldraht gesichert wurde. Alle 200 Meter stehen türkische Soldaten und bewachen das Territorium.

"Wenn uns jetzt auch noch Ankara im Stich lässt, dann sind wir endgültig verloren", sagt der Syrer Anas Alrawaf . Er wartet immer noch am Zaun, in der Hoffnung, dass dieser doch irgendwann geöffnet wird.

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