Die Ursachen für die evolutionäre Güterabwägung ist noch unklar.
Schon Charles Darwin hat die Effekte sexueller Selektion beschrieben. Demnach müssen Arten oft Kompromisse zwischen Merkmalen eingehen, die entweder im Wettbewerb um Partner oder bei der Fortpflanzung vorteilhaft sind. Das haben nun Wiener Forscher bei Brüllaffen im Fachmagazin "Current Biology" gezeigt: Männchen mit einem größeren Zungenbein und damit tieferen Stimme haben kleinere Hoden.
Die zur Familie der Klammerschwanzaffen gehörenden, in Mittel-und Südamerika lebenden Brüllaffen heißen nicht nur so, sondern brüllen tatsächlich sehr laut. Für diese Fähigkeit haben sie lange Stimmbänder und ein einzigartiges Zungenbein entwickelt. Je größer dieses ist, desto tiefer ist die Stimme. Männchen lässt dies größer und mächtiger erscheinen als sie wirklich sind.
Dimension der Vokaltrakte untersucht
Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Kognitionsbiologen um Tecumseh Fitch von der Universität Wien haben die Dimension der Vokaltrakte untersucht und die Rufe der Männchen von insgesamt neun verschiedenen Brüllaffenarten gesammelt. Es zeigte sich, dass bei Arten, bei denen nur ein Männchen in der Gruppe lebte, Tiere mit den tiefsten Stimmen einen hohen Preis für diese bezahlen: das größere Zungenbein geht mit kleineren Hoden einher.
"Im Fall der Brüllaffen konnten wir erstmals einen Abtausch zwischen Kehlkopfgröße und Hodengröße nachweisen", erklärte Fitch in einer Aussendung der Uni Wien. Bei Arten mit einer größeren Zahl von Männchen pro Gruppe nahm hingegen die Hodengröße zu - was auf die Bedeutung der Spermienkonkurrenz hinweist. Aber auch hier zeigte sich, dass Männchen mit größeren Hoden kleinere Zungenbeine hatten.
Ursachen unklar
Die Ursachen für diese Güterabwägung in der Evolutionsgeschichte sind noch unklar. Die Investition in einen mächtigen Stimmapparat könnte so hoch sein, dass die Energie für größere Hoden einfach nicht mehr reicht, vermutet Erstautor Jacob Dunn von der Universität Cambridge: Es könnte aber auch sein, dass ein großer Stimmapparat zur Abwehr von Rivalen so effizient ist, dass es gar nicht nötig ist, größere Hoden zu entwickeln. Von detaillierten Analysen der Anatomie des Stimmapparates von Brüllaffen erhoffen sich die Forscher ein besseres Verständnis über die Akustik der Rufe der Tiere.