Machtwechsel

Tories setzen sich in England knapp durch

06.05.2010

Erstmals seit 1974 ist ein sogenanntes "hung parliament" wahrscheinlich.

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Bei der Wahl zum britischen Unterhaus hat Nachwahlbefragungen zufolge keine Partei die absolute Mehrheit erzielt. Allerdings dürfte keine Partei eine absolute Mehrheit gewonnen habe, ein "hung parliament", ein Parlament, in dem keine Partei die absolute Mehrheit hält, zeichnet sich ab. Das gab es in Großbritannien zuletzt 1974. Demnach werden die Konservativen unter Führung von David Cameron zwar stärkste Kraft mit 307 Sitzen. Es fehlen ihnen jedoch 19 für eine absolute Mehrheit.

Premierminister Gordon Brown und seine Labour-Partei kamen auf 255 Sitze. Die Liberal-Demokraten von Parteichef Nick Clegg erhielten 59 Sitze und damit weniger als von Experten erwartet. Sie könnten sowohl mit den Konservativen als auch mit Labour zusammengehen, um eine für britische Verhältnisse ungewöhnliche Regierungskoalition zu bilden.

  

Finanzmärkte in Angst
An den Finanzmärkten wird befürchtet, dass ein Parlament ohne klare Mehrheiten zu einer Lähmung der Politik führen könnte. Ratingagenturen haben entsprechende Befürchtungen jedoch relativiert und darauf verwiesen, dass alle drei Parteien sich in der Notwendigkeit einig seien, das riesige Haushaltsdefizit abzubauen. Strittig zwischen Labour, Konservativen und Liberal-Demokraten ist das Tempo des Schuldenabbaus. Zuletzt hatte es 1974 ein "hung parliament" im Königreich gegeben.

44 Millionen Wahlberechtigte waren dazu aufgerufen, die 650 Abgeordneten für das Unterhaus zu wählen. Die Wahlbeteiligung wurde mit rund 66 Prozent deutlich höher erwartet als bei der Wahl 2005, als 61,4 Prozent der Stimmberechtigten zu den Urnen gingen.

BNP-Kandidat prügelt sich mit Jugendlichen
Bob Bailey , der Kandidat der rechtsextremen British National Party für den Bezirk Romford, sorgte vor der Wahl für einen Skandal. Er wurde in eine Schlägerei verwickelt. Der Politiker war mit Wahlkampfhelfern in Barking, East London, unterwegs, als die Gruppe auf drei asiatischstämmige Jugendliche traf.

Zuerst ergab sich ein Wortgefecht, aber als einer der drei Bailey ins Gesicht spuckte, verlor dieser die Nerven. Vor laufender BBC-Kamera schlug er den Jugendlichen nieder und versetzte dem am Boden Liegenden einen Fußtritt.Hohe Wahlbeteiligung

Die Wahllokale füllten sich schon in den Morgenstunden. "Die Wähler strömen geradezu bei uns herein, seit wir aufgemacht haben", sagte ein Helfer in London. Offizielle Zahlen zur Wahlbeteiligung gab es jedoch vorerst nicht. "Das ist eine historische Wahl, und ich möchte, dass sich etwas am System ändert", sagte die 25 Jahre alte Wählerin Mariam Kemple in einem Londoner Wahllokal.

Im Blitzlichtgewitter der Fotografen wählten die Spitzenkandidaten. Cameron konnte erst mehr als zwei Stunden später als geplant sein Kreuzchen machen, weil sich auf dem Dach seines Wahllokales in der Grafschaft Oxfordshire politische Gegner versammelt hatten. Brown musste gegen Nieselregen in North Queensferry in der Nähe von Edinburgh ankämpfen. Clegg wählte in Sheffield. Alle drei brachten ihre Ehefrauen mit, wobei Cleggs Frau Miriam Gonzalez Durantez als einzige nicht wählen durfte, weil sie spanische Staatsbürgerin ist. Wegen des erwarteten knappen Wahlausgangs hatten Brown, Cameron und Clegg bis in die Nacht auf Donnerstag um Stimmen geworben.Clegg verlangt hohen Preis

Wenn keine Partei die absolute Mehrheit erhält, wird Königin Elizabeth II. dem amtierenden Premier Brown zuerst die Chance zur Bildung einer Regierung geben - selbst wenn dessen Partei nicht die meisten Wahlkreise gewinnen sollte. Mit ihren voraussichtlich 80 Sitzen könnten die Liberaldemokraten die Labour Party weiter an der Regierung halten. Clegg hat aber bereits angedeutet, dass er einen hohen Preis dafür verlangen würde.

Eigentlich sind die Briten daran gewöhnt, dass sie innerhalb weniger Stunden eine neue Regierung haben. Der Wahlsieger fährt traditionell am Tag nach der Wahl zur Queen, die ihn mit der Regierungsbildung beauftragt. Für den 25. Mai ist die Thronrede angesetzt, bei der die Queen das Regierungsprogramm für das erste Jahr der Legislaturperiode verliest.

Am Wahltag verletzte sich der ehemalige Chef der anti-europäischen Partei UKIP, Nigel Farage, bei einem Absturz mit einem Leichtflugzeug. Farage trug bei dem Unfall Kopfverletzungen davon und musste ins Krankenhaus. Lebensgefahr bestand aber nicht.

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