Ewa Ernst-Dziedic vor Ort
Grün-Politikerin in der Moria-Hölle: ''Die Menschen hier verdursten''
11.09.2020
Schwangere in den Wehen liegen im Dreck, die Menschen kommen nicht an Essen oder Trinken - die Zustände nach dem Brand im Flüchtlingslager auf Lesbos sind katastrophaler als je zuvor.
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"Die Situation ist noch viel verheerender, als ich mir das gedacht hätte", beschreibt die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedic, die ersten Eindrücke ihres Besuches auf der Insel Lesbos, wo am Mittwoch durch einen Brand das Flüchtlingscamp Moria komplett zerstört wurde. Derzeit gebe es überhaupt keine Versorgung für die knapp 13.000 obdachlos gewordenen Migranten.
"Es gibt keine offizielle Hilfe", kritisierte Ernst-Dziedzic. Polizisten würden auch Hilfsorganisationen den Zugang zu einem Großteil der Menschen versperren. Seit drei Tagen leben diese auf der Straße zwischen Moria und der Insel-Hauptstadt Mytilini, auf Plastiksackerln und selbstgebauten Behausungen, schilderte die Politikerin am Freitag. "Die Menschen haben kein Essen und kein Trinken, sie verdursten hier." Sie sei "empört und entsetzt".
Selbst wenn die Migranten mit ihrem eigenen Geld Wasser oder Lebensmittel bei einer nahegelegenen Tankstelle kaufen wollen würde, "sie werden nicht reingelassen, die Tankstelle wird von der Polizei bewacht und Flüchtlinge dürfen nicht rein", erzählte Ernst-Dziedzic. Der örtliche Supermarkt sei sowieso bereits geschlossen. Sie habe zudem eine Schwangere in den Wehen gesehen, die im Dreck liegen und ausharren muss.
Von der "viel zitierten Hilfe vor Ort" käme auf Lesbos jedenfalls "nichts an", kritisierte Ernst-Dziedzic. Auch die Container, die Österreich Athen bereits vor Monaten zugesichert hatte, würden noch auf dem griechischen Festland "hängen", weil deren Transport auf die Insel von der griechischen Regierung noch nicht geklärt worden sein. Die Grüne Abgeordnete ortete hier "Verzögerungstaktik". Sie habe den Eindruck, "und dieser hat sich seit meiner Ankunft hier weiter verfestigt", dass die Situation auf der Ostägäis-Insel "bewusst provoziert" worden sei.
Immer wieder komme es zudem zu Übergriffen auf Geflüchtete durch rechtsradikale Gruppierungen. "Die Menschen sind wirklich verzweifelt, es ist vollkommen aussichtslos", so die Nationalratsabgeordnete, die bereits Anfang März, als die Situation an der griechisch-türkischen Grenze zu eskalieren drohte, die Insel Lesbos und das Camp Moria besucht hatte. Jetzt sei es "noch viel schlimmer", sagte sie. Angesichts der derzeitigen Umstände wachse die Verzweiflung unter den Geflüchteten. "Es würde mich nicht wundern, wenn das noch eskaliert."
Dass der Brand, der das seit Jahren heillos überfüllte Camp zerstörte, von Flüchtlingen selbst gelegt worden ist, glaubt Ernst-Dziedzic nicht. Es sehe nicht danach aus, zudem habe es schon in der Vergangenheit Brände gegeben, die klar von Rechtsextremen gelegt worden waren. Die Grün-Politikerin will noch bis Sonntag auf Lesbos bleiben, Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) und Vertreter des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) treffen, um "herauszufinden, wie akut geholfen werden kann und warum seit drei Tagen nichts passiert".