Seit Anfang Oktober herrscht ein Krieg zwischen der radikal-islamischen Hamas im palästinensischen Gazastreifen und Israel, in den die Hisbollah-Miliz im Libanon verstärkt eingreifen könnte.
Damit würde sich der Jahrzehnte alte Konflikt im Nahen Osten wohl in einen Flächenbrand ausweiten. Hamas und Hisbollah sind sich einig in ihrer Feindschaft gegen Israel.
So trafen sich einem Bericht des Hisbollah-Senders Al-Manar vom Mittwoch zufolge Hisbollah-Chef Sayyed Hassan Nasrallah, Hamas-Vize Saleh al-Aruri und der Chef der radikalen Palästinenser-Gruppe Islamischer Jihad, Siad al-Nachala. Sie hätten beraten, wie ihre Allianz "einen echten Sieg für den Widerstand" im Gazastreifen erringen könne. Im Folgenden einige Fakten zu den Organisationen:
HAMAS
Gegründet wurde die Hamas 1987 im Gazastreifen im Zuge der ersten Intifada - des Palästinenser-Aufstandes gegen Israel. Hamas ist die Abkürzung für Islamische Widerstandsbewegung. Die Organisation wird unterstützt vom schiitischen Iran und teilt die islamistische Ideologie der Muslimbruderschaft, die in den 1920er-Jahren im benachbarten Ägypten entstanden ist. Dort ist die Muslimbruderschaft, die auch in anderen islamischen Ländern Nachahmer fand, seit zehn Jahren verboten.
Die Hamas hat seit 2007 im Gazastreifen das Sagen. Vorausgegangen war ihr Sieg bei der palästinensischen Parlamentswahl 2006. Dem folgte ein kurzer Bürgerkrieg zwischen Anhängern der Hamas und der rivalisierenden Fatah-Bewegung, die im Westjordanland die Geschicke bestimmt und von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas geleitet wird. Er führt auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die Dachorganisation verschiedener Palästinenser-Fraktionen. Fatah und Hamas hatten sich für 2021 auf Präsidenten- und Parlamentswahlen geeinigt. Sie wurden aber wenige Wochen davor von Abbas abgesagt. Es wurde vermutet, dass er eine Wahlschlappe befürchtete. Seither gab es keine Wahlen mehr in den Palästinenser-Gebieten.
Seit der Machtübernahme der Hamas kam es mehrfach zu gewaltsamen Konflikten mit Israel. Die Hamas weigert sich, den Staat Israel anzuerkennen. Sie widersetzte sich dem Mitte der 1990er-Jahre zwischen Israel und der PLO ausgehandelten Osloer Friedensabkommen, in dem beide Seiten einander erstmals anerkannten. Allerdings scheiterten die Verhandlungen in Camp David in den USA, und mit der zweiten Intifada 2000 bis 2005 rückte eine politische Lösung in weite Ferne. Obwohl sich ihre Machtbasis im Gazastreifen befindet, hat die Hamas auch Unterstützer im Westjordanland. Ihre Anführer halten sich in etlichen Ländern im Nahen Osten auf, unter anderem in Katar.
Die Hamas-Organisation verfügt über einen bewaffneten Arm - die Iss-al-Din-al-Kassam-Brigaden (kurz: Al-Kassam-Brigaden). Sie haben zahlreiche Selbstmordanschläge in Israel verübt, die Hamas spricht hierbei von Widerstand gegen die israelische Besatzung. Die Hamas ist zudem politische Partei und betreibt ein Hilfswerk, zu dem beispielsweise Schulen gehören.
Unter anderem von Israel, den USA, der EU und Ägypten wird die Hamas als Terror-Organisation eingestuft. Deutschland hat kurz nach dem Angriff auf Israel Hamas-Organisationen die Betätigung untersagt. Die Hamas gehört zu einer regionalen Allianz mit dem Iran, Syrien und der Hisbollah im Libanon.
HISBOLLAH
Die Hisbollah (Partei Gottes) entwickelte sich während des libanesischen Bürgerkrieges 1975 bis 1990 von einer kleinen schiitischen Gruppe zu einer einflussreichen Größe über den Libanon hinaus. Die USA, Großbritannien, Deutschland und andere Staaten stufen sie als Terror-Organisation ein. In der Bundesrepublik ist sie seit 2020 verboten.
1982 gründeten die iranischen Revolutionsgarden die Hisbollah, um ihre Islamische Revolution - der Schah wurde 1979 gestürzt - zu exportieren. Ziel war es auch, das israelische Militär zurückzudrängen, das in den Libanon eingedrungen war. Ihre Waffen behielt die Hisbollah nach Ende des Bürgerkrieges, um gegen Israel Truppen zu kämpfen, die den überwiegend schiitischen Süden besetzten. Nach einem jahrelangen Guerillakrieg zog Israel 2000 aus dem Libanon ab.
Sechs Jahre später demonstrierte die Hisbollah ihre militärische Macht in einem fünf Wochen dauernden Krieg gegen Israel. Ausgebrochen war er nach einem Eindringen von Hisbollah-Milizionären in Israel, der Entführung zweier und der Tötung weiterer israelischer Soldaten. In dem Krieg wurden 1200 Menschen im Libanon getötet, meist Zivilisten, sowie knapp 160 Israelis, überwiegend Soldaten.
Die militärische Macht der Hisbollah wuchs, als sie Syriens Präsident Bashar al-Assad im 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg gegen meist sunnitische Rebellen unterstützte. Heute verfügt die Schiiten-Miliz nach eigenen Angaben über Präzisionsraketen, mit denen sie alle Teile Israels treffen kann. Nasrallah erklärte 2021, die Hisbollah habe 100.000 Kämpfer. Der Iran, der sich als Schutzmacht der Schiiten begreift, unterstützt die Hisbollah mit Waffen und Geld.
Die Hisbollah unterhält enge Kontakte zur Hamas und zum Islamischen Jihad, einer weiteren radikalen Palästinenser-Gruppe. Im Libanon mit seinen zahlreichen Religionsgemeinschaften genießt sie Unterstützung vor allem der schiitischen Bevölkerung, die sie als Verteidiger gegen Israel betrachtet. Seit 2005 tritt die Hisbollah verstärkt in der Politik auf. 2016 wurde der mit der Hisbollah verbündete christliche Politiker Michel Aoun Präsident. Zwei Jahre später erlangten die Hisbollah und ihre Verbündeten eine parlamentarische Mehrheit. Im Jahr 2022 ging diese Mehrheit verloren, aber die Organisation übt weiter großen Einfluss aus.
ISLAMISCHER JIHAD
Der Islamische Jihad (Islamischer Heiliger Krieg) hat seine Wurzeln wie die Hamas in der ägyptischen Muslimbruderschaft. Die Palästinenser-Gruppe wurde 1981 offiziell von Fathi Schikaki, einem Arzt, und anderen Radikalen gegründet. Sie hat in den Flüchtlingslagern im Gazastreifen und im Westjordanland Fuß gefasst. 1983 wurde sie bekannt, weil sie einen Bombenanschlag auf die US-Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut verübte, während sich dort fast der gesamte Stab des US-Geheimdienstes CIA für den Nahen Osten aufhielt. Im Laufe der Jahre haben Anhänger des Jihads zahlreiche Selbstmordanschläge mit Sprengsätzen in Israel verübt.
Seit 2018 führt Sijad al-Nachalah die Bewegung, zu der die Kampfeinheit Jenin-Brigaden gehört. Der Islamische Jihad wird vom Westen als Terror-Organisation eingestuft und lehnt jeden Kompromiss mit Israel ab. Weil viele Palästinenser die Palästinensische Autonomiebehörde, die Quasi-Regierung in den Autonomiegebieten in Westjordanland und Gazastreifen, für nutzlos oder korrupt halten, haben radikale Gruppen Zulauf. Der Islamische Jihad rekrutiert vor allem junge Menschen, die wegen des Jahrzehnte langen Konfliktes, wegen der israelischen Besatzung und zunehmenden jüdischen Siedlungen auf palästinensischem Boden keine Zukunftsperspektive sehen und zu Selbstmordattentaten bereit sind.