"Banalität des Bösen"
Hannah Arendt: Google Doodle zum 108. Geburtstag
14.10.2014Suchmaschine ehrt die am 14. Oktober 1906 geborene deutsch-amerikanische Philosophin.
Hannah Arendt, im hannoverschen Stadtteil Linden geboren, floh 1933 als junge jüdische Frau mit ihrem ersten Ehemann und der Mutter aus Deutschland; sie starb mit 69 Jahren nach einem Herzinfarkt als US-Bürgerin in ihrer New Yorker Wohnung. In einem berühmt gewordenen TV-Interview mit Günter Gaus sagte sie 1964: "Denken beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod." Es bedürfe "nicht nur des Kopfes, sondern auch des Herzens, das heißt der Einfühlung, der Fähigkeit, das Besondere, das Zufällige, von der Ratio nicht Vorhergesehene wahrzunehmen".
Google Doodle zu Ehren Hannah Arendts, © Google
"Banalität des Bösen"
Als sie das sagte, hatte es Hannah Arendt gerade unfreiwillig zu großer Berühmtheit für ihre Berichte vom Jerusalemer Prozess gegen den Nazi-Schlächter Adolf Eichmann gebracht. Dass sie im bürokratischen Organisator der Massenmord-Fabrik Auschwitz die "Banalität des Bösen" verkörpert sah und die Einbeziehung von Judenräten am Holocaust problematisierte, führte zu einer extrem bitteren und scharfen Kontroverse. Auch enge Freunde wandten sich ab, weil sie meinten, Arendt habe das Morden der Nazis verharmlost und sei dafür mit den Juden sehr hart umgegangen.
Im Abstand mehrerer Jahrzehnte gelten Arendts damalige Überlegungen zur Natur des Bösen und zu politischen Systemen generell als bleibend und auch wieder neu aktuell. "Das Klima des Postmodernismus und der Identitätspolitik sowie die Suche nach einer nicht-ideologischen posttotalitären Weltsicht haben ihrem Denken eine erneuerte Relevanz und Vitalität verliehen", schrieb der in Jerusalem lehrende Steven Aschheim in einem Sammelband über die Eichmann-Kontroverse.
Inspiration für die 68er-Studenten
Neben dem Nationalsozialismus hat sich Arendt nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem mit dem Stalinismus als Herrschaftssystem befasst und dazu 1951 die als ihr Hauptwerk geltenden "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" vorgelegt. Sie schrieb das Buch bis 1966 immer wieder fort bzw. um und wurde damit zu einer wichtigen Inspirationsquelle für die 68er-Studenten. Denen sie aber selbst mit ihrem prinzipiell ideologiekritischen Denkansatz durchaus kritisch und distanziert gegenüber stand.
Arendt erhielt 1951 die US-Staatsbürgerschaft und fühlte sich bis zu ihrem Tod auch ganz als Bürgerin der USA. Gerade deshalb stellte sie nach der Debatte um ihr Eichmann-Buch Kritik an diesem von ihr grundsätzlich bejahten System ins Zentrum. "Die Lüge in der Politik" betitelte sie ihre Kritik an offiziellen Washingtoner Darstellungen zum Vietnam-Krieg. Grundlage waren die Veröffentlichung der geheimen "Pentagon-Papiere" 1971 durch den damals im Verteidigungsministerium angestellten Daniels Ellsberg. Sie belegten, dass die Regierung den Krieg längst systematisch vorbereitete, als sie öffentlich das Gegenteil behauptete. "Hier kommt die Lüge im Gewand der Werbung einher, die ihre Grenze jedoch darin findet, dass man politische Meinungen und Ansichten nicht einfach kaufen kann", schrieb Arendt.
Barbara Sukowa in der Rolle der Hannah Arendt, © Heimatfilm
Kinofilm über Hannah Arendt
Im vergangenen Jahr lief auch einen Spielfilm über Hannah Arendt in den Kinos. Mit "Hannah Arendt" wurde das lebensnahe Porträt einer Intellektuellen auf die große Leinwand gebannt, das die deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta mit einem filmischen Diskurs über den von Arendt geprägten und oben erwähnten Aphorismus der "Banalität des Bösen" verbindet. Von Trotta konzentrierte sich beinahe ausschließlich auf diese entscheidende Zeit. Sie vermied damit den Fehler vieler Biopics, die sich krampfhaft an den entscheidenden Stationen eines Lebens rastlos abarbeiten, ohne dabei auf den Menschen dahinter eingehen zu können.
Über das Porträt einer Einzelperson wurde "Hannah Arendt" laut APA-Rezension eine Zeitcollage, die von Trotta ganz im Farbspektrum der 1960er hielt und zugleich die Identitätssuche des jüdischen Volkes nach dem Holocaust begleitete. Und noch etwas hob das Werk von anderen Filmen wohltuend ab: Selten wird heutzutage noch so genüsslich und ausdauernd auf der Leinwand geraucht.