Ermittler empfehlen Anklage vor Internationalem Strafgerichtshof.
Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen hat der stalinistischen Führung Nordkoreas schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Die Führung in Pjöngjang müsse deshalb vor ein internationales Gericht gestellt werden, forderte ein Team von Experten, das im Auftrag des UNO-Menschenrechtsrates den Bericht erstellte, am Montag in Genf.
Nordkorea begehe "systematische und weitreichende" Menschenrechtsverletzungen, von denen viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien, heißt es in dem 372 Seiten starken Bericht der Untersuchungskommission unter Führung des früheren australischen Richters Michael Kirby. Der Bericht spricht von der Vernichtung, Versklavung und dem Aushungern der Bevölkerung.
Anklage vor IStGH
Vertreter der Führung in Pjöngjang müssten deshalb auf Betreiben des UNO-Sicherheitsrates vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC) in Den Haag gebracht werden, forderte das Expertenteam, das auch Diktator Kim Jong-un persönliche Verantwortung zuwies. Der Sicherheitsrat solle gezielte Sanktionen gegen nordkoreanische Funktionäre verhängen, die im Verdacht stehen, sich solcher Verbrechen schuldig gemacht zu haben. Von generellen Sanktionen raten die Experten unter Hinweis auf die Notlage der Bevölkerung ab.
Das von der Kommission erarbeitete Dokument kritisiert auch die Verweigerung grundlegender Freiheiten, wie die der Meinungs- und Religionsfreiheit, sowie die Entführung von Bürgern aus Südkorea und Japan. Für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea könnten "mehrere hundert" Menschen verantwortlich sein.
In Erinnerung an die Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sagte Kirby, fortan werde niemand mehr sagen können: "Wir wussten das nicht." Taten in Nordkorea erinnerten an jene der Nazis: "Einige sind verblüffend ähnlich." So würden Häftlinge in Gefangenenlagern praktisch zu Tode gehungert. Ihre Leichen würden verbrannt und vergraben. Dies sei die Aufgabe anderer Häftlinge, sagte Kirby weiter. Für Art und Ausmaß der Verbrechen fänden sich in der Gegenwart keine Vergleiche.
UNO fordert einschreiten
Die Welt dürfe nicht weiter tatenlos zusehen, forderte der UNO-Bericht: "Die internationale Gemeinschaft muss ihre Verantwortung für den Schutz der Menschen vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit wahrnehmen, denn die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea hat dabei erwiesenermaßen versagt."
Die Kommission erhob zudem Vorwürfe gegen den Nachbarn und Verbündeten China. Die Volksrepublik schiebe Einwanderer und Überläufer nach Nordkorea ab, wo sie gefoltert und hingerichtet würden. China wies die Vorwürfe zurück.
Es ist die erste ausführliche Untersuchung im Auftrag der UNO zur Menschenrechtslage in Nordkorea. Die Kommission war im Mai 2013 durch den UNO-Menschenrechtsrat eingesetzt worden. Sie warf der Führung in Pjöngjang auch vor, derzeit in vier großen Lagern zwischen 80.000 und 120.000 politische Gefangene zu internieren.
"Brutale Realität"
Die USA erklärten, der Bericht belege "klar und unwiderruflich" die brutale Realität der Menschenrechtsverstöße in Nordkorea. Washington unterstütze den Bericht und dränge Pjöngjang "konkrete Schritte" zur Verbesserung der Lage zu unternehmen, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums in Washington.
China hatte schon vor der Veröffentlichung des Berichts Nordkorea Rückendeckung gegeben. Die "einschlägige Position" Pekings bei Menschenrechtsfragen sei "glasklar", sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying am Montag. Solche Fragen müssten "durch konstruktiven Dialog auf Augenhöhe" geklärt werden. Die chinesische Führung stellte damit klar, dass sie sich gegen eine Anklage der nordkoreanischen Führung vor dem IStGH stellen würde.
Regime weist Vorwürfe zurück
Nordkorea selbst wies die Vorwürfe zurück und erklärte, der Bericht beruhe auf Unterlagen, die feindliche Mächte gefälscht hätten. Diese würden von den USA, der EU und Japan unterstützt.
Die Regierung in Pjöngjang hatte den drei Mitgliedern der Untersuchungskommission jedwede Kooperation versagt, sie durften auch nicht ins Land einreisen. Die Erkenntnisse und Einschätzungen der Experten beruhen daher großteils auf Interviews mit aus Nordkorea geflohenen Regimegegnern, unter ihnen frühere politische Häftlinge.