Polen steht still
Hunderttausende Polen trauern um Kacynski
17.04.2010
Wegen der Vulkanwolke hagelt es Absagen für das Staatsbegräbnis in Krakau.
Hunderttausende Polen haben sich am Samstag im Warschauer Zentrum versammelt, um Präsident Lech Kaczynski und der insgesamt 96 Toten des Flugzeugabsturzes von vor einer Woche in Russland zu gedenken. Premierminister Donald Tusk nannte das Unglück die größte Tragödie der polnischen Nachkriegsgeschichte.
Am Vorabend ihres Begräbnisses in Krakau wurden Kaczynski und seine Frau bei einem Gottesdienst in der Johannes-Kathedrale in Warschau gewürdigt. "Der Verstorbene war ein echter Patriot", sagte Erzbischof Henryk Muszynski, Metropolit von Warschau. Er würdigte Kaczynski als einen "tief gläubigen" Mann. Die Größe des Politikers sei erst nach seinem Tod weltweit erkannt worden. Die Särge des Präsidenten und seiner Frau sollen am Sonntagmorgen nach Krakau gebracht werden.
Dort wollen am Sonntag zahlreiche ausländische Spitzenpolitiker und Staatsoberhäupter den Opfern die letzte Ehre erweisen. Allerdings macht die gefährliche Aschewolke eines isländischen Vulkans weite Teile des europäischen Luftraums unpassierbar. Die Flughäfen in Polen waren am Samstag geschlossen. Bundespräsident Heinz Fischer will mit dem Flugzeug anreisen, wenn dies möglich ist.
US-Präsident Barack Obama wollte auf jeden Fall nach Krakau fliegen. Ob Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt, war am Samstag noch unklar. Mehrere Trauergäste, darunter der britische Thronfolger Prinz Charles, Spaniens König Juan Carlos mit Gattin sowie Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapetero mussen bereits am Samstag absagen.
Bei den Feierlichkeiten standen Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw und Marta, die Tochter des verunglückten Präsidentenpaares, gefasst vor einer Bühne, auf der ein Altar aufgebaut war. Zu Beginn des Gottesdienstes wurden die Namen aller 96 Opfer der Katastrophe verlesen. Polen hatte bei dem Absturz Spitzenpolitiker, hohe Offiziere und führende Geistliche verloren.
Die Spitzen des polnischen Staates rangen um Worte des Trostes für ihre Landsleute. Premierminister Donald Tusk nannte den Absturz der Präsidentenmaschine als die größte Tragödie der polnischen Nachkriegsgeschichte. "Es ist unmöglich, den Tod zu akzeptieren."
Parlamentschef Bronislaw Komorowski, das amtierende Staatsoberhaupt, appellierte an die Polen, in diesen schweren Stunden zusammenzustehen. "Nur selten gibt es Augenblicke in der Geschichte einer Nation, in denen wir wissen und fühlen, dass wir wirklich zusammenstehen", sagte er. "Die Katastrophe bei Smolensk war ein solcher Augenblick."
Die Menschen strömten seit dem frühen Morgen durch die Straßen Warschaus zum Pilsudski-Platz. Viele der Trauernden trugen Blumen und die rot-weiße Nationalflagge, hielten Plakate mit einem Foto Kaczynskis in die Höhe.
Ein Meer von Blumen umsäumte die Bühne. Hinter dem Altar, auf einer großen schwarzen Leinwand hingen die Fotos aller 96 Verunglückten. Bereits am Morgen, 8.56 Uhr, ertönten zwei Minuten lang die Glocken und Alarmsirenen in Polen - genau zu der Zeit, als die Maschine westlich von Moskau abgestürzt war.
Noch immer sind nicht alle Todesopfer identifiziert. Die Untersuchungen am Unglücksort sind nahezu abgeschlossen. Die Präsidentenmaschine mit Kaczynski, seiner Frau Maria und 94 ranghohen Politikern, Militärs und Beamten an Bord war beim Landeanflug in Smolensk abgestürzt und in Flammen aufgegangen.
Die Delegation war auf dem Weg zu Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Hinrichtungen in Katyn. Der sowjetische Geheimdienst hatte damals 22 000 polnische Offiziere und andere Mitglieder der Führungselite rund um Katyn liquidiert.
Am späten Nachmittag sollten die Särge des Präsidentenpaares in die Johannes-Kathedrale in der Warschauer Altstadt gebracht werden. Beerdigt aber werden beide auf dem Burgberg Wawel in Krakau. Es ist eines der bedeutendsten nationalen Symbole Polens.
Wie der Athener Hügel der Akropolis für Griechenland war der Wawel einst politisches und religiöses Zentrum des polnischen Reiches. Der Ort ist als letzte Ruhestätte für Kaczynski umstritten. Kritiker finden, dass der Präsident nicht neben Königen und Nationalhelden beerdigt werden sollte.