Deutschland
Identitären-Aufkleber mit Rasierklingen präpariert
08.11.2017
Rechtsextreme nehmen Verletzungen von Personen in Kauf, die deren Propaganda entfernen möchten.
In der Siegener Innenstadt (Deutschland) wurden Sticker von den Identitären entdeckt. Das Abscheuliche daran: Unter den Aufklebern befinden sich Rasierklingen. Jene scharfen Klingen sind an der Unterseite befestigt, sodass sich jemand, der die rechte Propaganda entfernen möchte, Gefahr läuft, sich zu verletzen.
Auf Facebook und Twitter verbreitet sich diese Aktion rasant. Das Bündnis „Siegen Nazifrei“ schreibt dazu: „Hier werden ganz klar Verletzungen in Kauf genommen.“ Die lokale Polizei meldet, dass bisher keine Strafanzeigen in dieser Sache getätigt wurden, erklärt aber, dass sich die Beamten um die Aufkleber kümmern werden.
Die Polizei stellt zudem klar, wenn Identitäre dabei beobachtet werden, wie sie solche Kleber platzieren oder jene in ihren Räumlichkeiten gefunden werden, machen sie sich strafbar.
Zur Bewegung in Österreich
Bei der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) handelt es sich um eine rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil. Durch Aktionismus mit begleitender Pressearbeit nach dem Vorbild von NGOs und intensive, vergleichsweise professionelle Bespielung sozialer Medien wird eine große Breitenwirkung angestrebt (und, gemessen an rechtsextremen Gruppenbildungen der 2000er-Jahre wie der Nationalen Volkspartei oder dem Bund freier Jugend, auch erreicht). Daneben zeigt die IBÖ sich bemüht, unter anderem, über popkulturellen Eklektizismus, das Andocken an rechtsoffene Subkulturen (Neofolk), Internet-Memes, Graffitis und einen von den Führungskadern Martin Sellner und Patrick Lenart betriebenen Online-Versand Phalanx Europa von selbst designten Textilien und von Musik, dem im Namen behaupteten Bewegungscharakter gerecht zu werden. Entsprechend der Herkunft der IBÖ aus dem deutsch-völkischen Korporiertenmilieu und einem von dort wie auch aus dem historischen Faschismus übernommenen Selbstverständnis als Kampfbund wehrhafter/soldatischer Männer finden sich (einzelne) Frauen nur in den unteren Funktionsebenen der Gruppierung.
Offen rechtsextrem
Als offen rechtsextrem identifizierbar sind die Identitären aufgrund ihrer Überordnung des "Volkes" als "organische Gemeinschaft" über das an Rechten gleiche Individuum. Diese vermeintlich natürliche Abstammungsgemeinschaft wird als "vom Zerfall" bedroht angesehen. Anders als prowestliche antiislamische Gruppen sieht die (prorussische) IBÖ die Bedrohung weniger unmittelbar von Muslimen und Muslimas ausgehen als von der kulturellen Herrschaft des "zersetzenden" Liberalismus (als gesellschaftlich dominante Form egalitären Denkens) und Multikulturalismus.
In der Welt, die den IBÖ-Aktivist(inn)en vorschwebt, sollen die "Völker" dementsprechend möglichst säuberlich voneinander getrennt leben. Kulturelle "Vermischung" sei hintanzuhalten, "Vielfalt" soll es nur im Sinne einer globalen Apartheid geben. Dass eine solche Utopie sich in der Welt des 21. Jahrhunderts nur auf gewaltsame Weise verwirklichen ließe, liegt auf der Hand. In der Aufbereitung solcher Botschaften zeigt sich das Bemühen der IBÖ, althergebrachte rechtsextreme Ideologeme in historisch unbelastete Begriffe zu kleiden: "identitär" statt rassistisch/ausländerfeindlich, "Remigration" statt Massenabschiebung, "Ethnopluralismus" statt "Apartheid", "großer Austausch" statt "Überfremdung".
Das Verhältnis der IBÖ zum historischen Faschismus ist ambivalent: Einerseits grenzt man sich vom Nationalsozialismus ab, andererseits bezieht man sich – häufig in popkulturalisierter Form (Poster, T-Shirts) – positiv auf (Vor-)Denker desselben sowie faschistischer Bewegungen in anderen Ländern (Italien, Spanien, Japan). Mit aktuellen neofaschistischen Gruppierungen wird – vor allem in Ungarn und Italien – kooperiert. (Quelle: DÖW)