Das Rote Kreuz berichtet von einem medizinischen Notstand.
In der seit Wochen umkämpften Heimatstadt des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi spitzt sich die Lage für die Bewohner zu. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) berichtete am Wochenende, zahlreiche Menschen in Sirte (Surt) müssten wegen fehlender medizinischer Versorgung sterben. Nach Angaben von Medizinern steht offenbar ein groß angelegter Angriff auf das Stadtzentrum von Sirte bevor. Tausende von Bewohnern von Sirte nutzen indes am Montag eine Kampfpause, um aus der Stadt zu flüchten.
10.000e auf der Flucht
Nach IKRK-Schätzungen haben inzwischen knapp 10.000 Bewohner die die rund 100.000-Einwohner-Stadt verlassen. Truppen des Übergangsrates bereiteten zudem einen neuen Großangriff auf die Hafenstadt vor, in der sich noch stärkere Einheiten von Gaddafi-Milizen verschanzt haben, meldete der arabische Nachrichtensender Al-Arabiya.
IKRK-Teamchef Hichem Chadraui berichtete nach einem Besuch in der Küstenstadt, wegen Mangels an Sauerstoffflaschen und Treibstoff für Notstromgeneratoren müssten viele Patienten des Krankenhauses in Sirte sterben. Die Lage vor Ort sei "schrecklich". Bei den Kämpfen zwischen Gaddafi-Anhängern und Kämpfern der neuen libyschen Führung seien mehrere Geschoße in dem Krankenhaus eingeschlagen. Am Montag brach ein weiteres IKRK-Team nach Sirte auf, um zwei LKW-Ladungen mit dringend benötigten medizinischen Gütern sowie Nahrungsmittel zu liefern.
Der Chefarzt eines Feldhospitals westlich von Sirte berichtete indes, die Militärkommandanten der neuen libyschen Führung planten für Montag einen Großangriff auf die Stadt: "Sie haben mir gerade gesagt, dass sie heute hereingehen, um Sirte zu erobern", sagte Chefarzt Muad Ben Sasi. In dem Feldhospital wurde in Erwartung zahlreicher Verletzter ein neues Behandlungszelt aufgebaut. Hunderte Bewohner flohen am Wochenende aus Sirte. Auf dem Weg aus der Stadt stauten sich vollbepackte Autos.
Rebellen gewinnen Kontrolle
Die Kämpfer des Nationalen Übergangsrats (NTC) eroberten unterdessen nach eigenen Angaben bis Montag weite Teile von Gaddafis mutmaßlichem Geburtsort Kasr Abu Hadi 20 Kilometer südlich von Sirte. Nach dreitägigen Kämpfen seien drei Viertel des Ortes unter Kontrolle, sagte NTC-Kommandant Mufbah Raslan. Dabei seien die NTC-Kämpfer von Gaddafi-Getreuen mit Grad-Raketen, Maschinengewehrfeuer und von Scharfschützen angegriffen worden. Bewohner von Kasr Abu Hadi klagten, wegen der Kämpfe sei die Versorgung mit Wasser, Medikamenten und Strom zusammengebrochen.
Im Süden Libyens begann am Montag die Evakuierung von mehr als 1.200 seit Monaten festsitzender Migranten in den Tschad und den Niger. Die Menschen hatten seit Juni in einem Aufnahmelager der internationalen Organisation für Migration (IMO) in Sebha ausgeharrt und konnten wegen der Sicherheitslage nicht ausgeflogen werden.