Mit Twitter & Co.
Internet-Jagd auf Massenmörder Kony
09.03.2012
Facebook, Twitter, Youtube jagen den Mann aus Uganda. Niemand weiß, wo er ist.
Wer den Namen Joseph Kony bisher noch nicht kannte, hat gute Chancen, dieser Tage im Internet auf den blutrünstigen afrikanischen Rebellenführer aufmerksam zu werden. Denn seit eine amerikanische Organisation über soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und YouTube eine Kampagne gegen den Mann aus Uganda gestartet hat, ist Kony weltweit Thema. Mehr als zehn Millionen Internet-Nutzer sahen bereits einen knapp dreißigminütigen Videoclip über den berüchtigten Gotteskrieger und seine "Widerstandsarmee des Herren" ("Lord's Resistance Army"/LRA). Seit 2005 wird der Fanatiker, der sich selbst als "Sprecher Gottes" bezeichnet, vom Internationalen Strafgerichtshof unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht.
Gerechtigkeit
Das erklärte Ziel der Aktion "Kony 2012" ist es, den Mann bis Ende des Jahres zu fassen und Gerechtigkeit walten zu lassen. "Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist" - mit diesem Satz des französischen Schriftstellers Victor Hugo beginnt der Clip. Um die Idee in die Tat umzusetzen, hat die Organisation "Invisible Children" zu einer Unterschriftenpetition und zu Spenden aufgerufen. Die Reaktionen sind allerdings gemischt und reichen von Lob bis zu herber Kritik.
"Ich bin glücklich und vor allem erleichtert, dass Invisible Children weltweit Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt hat, denn Mörder und Folterer bleiben normalerweise lieber anonym", kommentierte Musa Okwonga in einem Artikel der britischen Zeitung "The Independent". Er ist selbst im besonders schlimm betroffenen Norden Ugandas aufgewachsen. Jedoch habe die Aktion gleichzeitig "das unangenehme Echo des weißen Kolonialismus" in Afrika, fügte er hinzu.
Aufenthaltsort unbekannt
Fest steht eines: Niemand weiß so genau, wo Kony derzeit ist. Es wird vermutet, dass er sich - bestens geschützt von mehreren hundert Kämpfern - irgendwo im Busch der Zentralafrikanischen Republik versteckt. Ein Vierteljahrhundert hat die LRA unter der Führung von Kony den Norden Ugandas, den heutigen unabhängigen Staat Südsudan und den Nordosten der Demokratischen Republik Kongo terrorisiert. Erst 2006 wurde die Gruppe aus Uganda weitgehend vertrieben.
Seit 1987 kämpft die LRA für einen christlichen Gottesstaat. Tausende Kinder wurden zwangsrekrutiert und mussten als Soldaten für die bizarre, mit afrikanischem Mystizismus verbrämte Ideologie Konys kämpfen. Mädchen wurden als Sexsklavinnen missbraucht. Insgesamt flüchteten in den vergangenen 25 Jahren mehr als zwei Millionen Menschen in Ost- und Zentralafrika vor den Schlächtern, die ohne Erbarmen mordeten, vergewaltigten, verstümmelten oder entführten.
Der amerikanische Filmemacher und Regisseur des Videos, Jason Russell, setzt sich schon seit fast zehn Jahren für die Festnahme Konys ein. Damals hatte er einen Knaben interviewt, dessen Bruder in Uganda von der LRA mit einer Machete umgebracht worden war. Russells Gegner sagen, dass der Film unter anderem inhaltliche Fehler habe und nicht gut genug recherchiert sei. Vor allem sei das Video mit persönlichen Bemerkungen gespickt und voller Klischees, auch sei nicht klar, was "Invisible Children" mit dem gespendeten Geld genau vorhat. Andere betonen, dass eine afrikanische Lösung für die LRA gefunden werden müsse. Bereits im vergangenen Oktober hatte US-Präsident Barack Obama 100 Militärberater nach Uganda entsandt, die dem dortigen Militär helfen sollen, Soldaten für den Kampf gegen die Rebellen auszubilden. Uganda versucht seit Jahren hartnäckig, eine Rückkehr der LRA und weitere Gemetzel zu verhindern.
Vor allem heißt es aber, dass die Internet-Offensive dem Präsidenten Yoweri Museveni in die Hände spiele. Der ist schon seit 1986 an der Macht, hat keine Absichten, in Bälde abzutreten - und konnte in seiner Amtszeit lange nichts gegen Kony und dessen Schergen ausrichten. Der Staatschef geht hart gegen jede oppositionelle Bewegung vor und lässt Homosexuelle verfolgen. Sein Name wird in dem Videoclip nicht einmal erwähnt.