Benedikt war kein starker Papst – doch er verweigerte sich der Korruption und den Machtkämpfen im Vatikan
Ein Ereignis von historischer Wucht: „Bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben …“ Mit diesen Worten für die Geschichtsbücher verkündete Papst Benedikt XVI., dass er krankheitshalber in Pension zu gehen gedenke.
Depressiv.
Dass dieser Mann sehr krank war, konnte jeder sehen. Eine Hüftarthrose machte ihm zu schaffen, sein Herz war durch den hohen Blutdruck massiv geschädigt (eine OP vor drei Monaten wurde verheimlicht), Insider sprechen von Alzheimer und Depressionen.
Doch es ist offensichtlich, dass die Machtkämpfe und Ränke im Vatikan den Papst so krank gemacht und in die Resignation getrieben haben dürften. „Man kann sich nur schwer vorstellen, welche Intrigen es da in Rom gibt“, sagt Benedikts Freund, der Tübinger Theologe Max Seckler.
Finsterling.
Dabei stößt man immer wieder auf einen Namen: Tarcisio Bertone (77), Kardinal-Staatssekretär und ursprünglich enger Vertrauter Benedikts. Er hat enge Kontakte zum italienischen Geheimdienst, zur Finanzmafia und zu Silvio Berlusconi. Eine Figur wie ein Finsterling aus einem Dan-Brown-Krimi: als politischer Kopf eine Art Gegenpapst, einer, der auch Ambitionen hat, sich auf dem Konklave auf den Stuhl Petri heben zu lassen.
Er betrieb die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners und Pius-Bruders Richard Williamson – und ließ den Papst im Regen stehen, als die Affäre zum Image-Desaster für den Vatikan wurde.
Er hatte seine Finger auch im Vatileaks-Skandal drin, als der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele überführt wurde, geheime Dokumente gestohlen und sie dem Journalisten Gianluigi Nuzzi zugespielt zu haben. Insider vermuten, dass Benedikt mit diesen Dokumenten erpresst wurde – und Bertone möglicherweise seine bevorstehende Abberufung verhindert hatte.
Mord-Komplott.
Und Bertone gilt als Schlüsselfigur im Skandal um die Vatikanbank, deren sinistre Geldwäschegeschäfte Benedikt aufdecken und abstellen wollte. Diese Affäre wurde so brisant, dass der Kardinal von Palermo, Paolo Romeo, sogar von Mordplänen gegen den Papst sprach.
Im Frauenkloster Mater Ecclesiae im Vatikan wird Benedikt gemeinsam mit sieben Nonnen und seinem Vertrauten Georg Gänswein seinen Lebensabend verbringen. Ganz nah an der Papst-Residenz – aber hoffentlich fern von Mord und Intrige.
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In Birmingham am 19. September 2010.
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Im Meazza-Stadion von Mailand am 2. Juni 2012.
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Bei einer Zeremonie am 2. Februar 2013.
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Am 6. Februar 2013.
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Winkend im Vatikan am 19. April 2005.
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27. Jänner 2013.
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Österreich-Besuch.
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19. April 2005.
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Mit Spaniens König Juan Carlos I am 21. August 2011.
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Der Papst im Weißen Haus.
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Mit Italiens Mario Monti am 27. August 2012.
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Besuch in Leon, Mexiko, am 25. März 2012.
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28. April 2009.
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Der Papst im Weißen Haus.
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Der Papst mit dem US-Präsidenten Barack Obama.
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Der Papst beim Lesen der Zeitung in seiner Sommer-Residenz (26. Juli 2010).
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In London am 18. September 2010.
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Am 8. Februar 2013
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13. Mai 2009, Papst Benedikt XVI verlässt Bethlehem.
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Am 9. April 2009.
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In Notre Dame am 12. September 2008.
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14. Mai 2009. Besuch in Israel.
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Am 24. April 2005.
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In Rom am 8. Dezember 2011.
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Beim Romano Maggiore Seminar in Rom am 8. Februar 2013.
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In Rom am 8. Februar 2013.
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Am 17. Oktober 2005 im Vatikan.
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In Warschau, Polen, am 25. Mai 2006.
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Bei der Verleihung der Papst-Würde am 19. April 2005.
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Bei der Verleihung der Papst-Würde am 19. April 2005.
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Bei der Verleihung der Papst-Würde am 19. April 2005.
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Am 24. Dezember 2012.
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Beim Wien-Besuch am 7. September 2007.
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Bundespräsident Heinz Fischer geleitet den Papst. Beuch in der Wiener Hofburg vom 7. September 2007.
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28. Dezember 2005, der Papst winkt vom Vatikan aus.
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Aufgenommen am 12. September 2006 in Regensburg.
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In Regensburg, Deutschland, am 12. September 2006.
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Besuch in der Türkei am 29. November 2006.
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Bild vom 9. April 2005.
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Der neue Papst: Benedikt XVI. Foto vom 9. April 2005.
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Am 25. Jänner 2013.
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Winkend bei Verlassen des St. Peters Domes.
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Am Weihnachtsabend 2012.
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Der Papst in Havanna, Kuba, am 28. März 2012.
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Gemeinsam mit Bundespräsident Heinz Fischer.
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ÖSTERREICH: Hat Sie der Rücktritt von Papst Benedikt überrascht?
Andreas Englisch: Nein, ich hab im April des Vorjahres seinen Rücktritt prophezeit, ich hatte nie Zweifel daran. Ich kenne Ratzinger, er hat immer wieder gesagt, dass es so eine Leidensphase wie bei Papst Johannes Paul II. bei einem Papst nie geben darf. Der Papst muss im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass er geht. Ich wusste nicht, dass es an diesem Montag passiert, aber es war klar, dass es kommen musste. Er hat mit seiner Entscheidung bitter gerungen, weil das die Kirche vor eine neue Situation stellt.
ÖSTERREICH: Welche Auswirkungen hat das auf die katholische Kirche?
Englisch: Es ist eine neue Situation, weil es so lange nicht passiert ist. Es gibt zwar den Paragrafen 332, Absatz 2, der einen Rücktritt erlaubt. Aber trotzdem: Mit dieser Situation eines pensionierten Papstes hat die katholische Kirche schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb hat Papst Johannes Paul II. das abgelehnt. Es besteht die Gefahr einer Kirchenspaltung. Der neue Papst wird gewählt, aber ein Teil der Bischöfe sagt: Den wollen wir nicht und wir halten an dem alten Papst fest.
ÖSTERREICH: Der Hauptgrund seines Rücktritts ist sein Gesundheitszustand. Wie krank ist der Papst wirklich?
Englisch: Er geht sehr schlecht, er musste zuletzt durch den Petersdom geschoben werden. In Gesprächen mit seinen Mitarbeitern oder Journalisten klagte er über Konzentrationsschwierigkeiten. Sieben Tage lang zehn Stunden arbeiten hat in diesem Alter seine Wirkung. Dazu kommt: Er hat den Job als Papst nie gerne gemacht, er hat das Gefühl gehabt, viele sind gegen ihn.
ÖSTERREICH: Inwiefern spielten Intrigen eine Rolle für den Rücktritt?
Englisch: Die Erfahrung von Papst Johannes Paul II. zeigt, dass in den letzten Monaten eines Papstes, der nicht mehr kann, viele Leute versuchen, ihn für ihre Zwecke auszunützen. Skandale und Intrigen spielen sehr mit. Ratzinger hat sich immer beklagt, dass die Bischöfe in Deutschland ihm nicht helfen, er hat sich alleine gelassen gefühlt. Er war der einsamste Papst aller Zeiten. Dazu kam der Schlag, dass ihn sein Kammerdiener, der wie ein Sohn für ihn war, beklaute. Und: Ratzinger hat gegen seine eigenen Mitbrüder argumentiert, dass Wiederverheiratete nicht mehr zu den Sakramenten zugelassen werden dürfen. Mit dieser Entscheidung war er alleine, das wollen die anderen Bischöfe nicht, dieser Streit ist dann eskaliert und hat ihn mit der Zeit zermürbt. Was dazu kommt: Die schmerzhafte Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Er konnte nichts für diesen Skandal, hat sich aber dafür auf der ganzen Welt entschuldigen müssen. Ich glaube, dass das eine ganz schwere Bürde war. Auffallend ist, dass er erst vor wenigen Wochen, also kurz vor dem Rücktritt, seinen Privatsekretär Georg Gänswein zum Präfekten des Päpstlichen Hauses machte.
ÖSTERREICH: Was machte Benedikt XVI. im Vatikan so streitbar?
Englisch: Zum Teil waren es seine Aussagen: Ich habe mir öfters gedacht, warum sagt er das jetzt. Wie damals, als er Papst wurde und das mit einer Enthauptung verglich. Er war einer der schwächsten Päpste, die es je gegeben hat. Er war sehr scheu, hat nur selten wichtige Entscheidungen alleine getroffen.
ÖSTERREICH: Sie trafen den Papst sehr oft. Wie ist er Ihnen als Mensch begegnet?
Englisch: Ich kenne Ratzinger seit Jahren, er ist ein sehr einfacher und zugänglicher Mensch, man konnte ihn in seiner Zeit als Kardinal in Rom einfach so ansprechen. Er ging immer um 13.30 Uhr über den Petersplatz, man konnte die Uhr nach ihm stellen. Als ich mit ihm als Journalist gesprochen hatte, war es nicht so, dass er sich total abgeschottet hat.
ÖSTERREICH: Die Nachfolgediskussion ist voll entbrannt. Auch Christoph Schönborn hat Chancen …
Englisch: Es wird einen Krieg geben zwischen den Italienern und den anderen. Kardinal Schönborn genießt in Rom eine hohe Reputation. Ich traue ihm das zu, er ist sehr intelligent.