Das steckt dahinter

Irres Gerücht: Putin ist tot, sein Doppelgänger hat Corona

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Wladimir Putin wäre Ende Oktober verstorben, ein Doppelgänger machte für ihn weiter, laboriere jedoch derzeit an Covid, berichtete zuletzt der anonyme Telegram-Kanal "General SWR" 

Hinter dem Kanal wird allgemein der prominente russische Politologe Waleri Solowej vermutet. Welche Motive hinter der Formulierung und Verbreitung dieser fragwürdigen Gerüchte stecken, ist offen. An ihren Wahrheitsgehalt glauben nichtsdestotrotz manche Russen und noch mehr würden gerne an sie glauben.

Die Postings von "General SWR" wirken wie literarische Miniaturen, in denen geistreich Kritik an einem immer autoritäreren Regime geübt wird: Aus der Perspektive eines bestens informierten Geheimdienstoffiziers werden Interna aus den höchsten Machtzirkeln in einem russischen Paralleluniversum erzählt, in dem Doppelgänger von Präsident Wladimir Putin eine immer wichtigere Rolle spielen. Viele dieser Geschichten beziehen sich auf reale Geschehnisse mit Putin, die jedoch Doppelgängern zugeschrieben werden.

Politologe steckt hinter Projekt

Allgemein wird davon ausgegangen, dass der 65-jährige Politologe Waleri Solowej hinter diesem Projekt steht: Der studierte Historiker, der bis 2019 das Institut für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit an der Moskauer Diplomatenschmiede MGIMO leitete und zwischenzeitlich vom russischen Justizministerium als "Auslandsagent" gebrandmarkt wurde, machte zuletzt auch kein Hehl aus seiner Affinität zum Telegram-Kanal. Bei regelmäßigen Auftritten in Oppositionsmedien kolportiert er insbesondere Veröffentlichungen von "General SWR" als vermeintliche Wahrheit - zuletzt etwa am Mittwoch auf dem Youtube-Kanal "Schiwoj Gwosd", einem Projekt von Ex-Journalisten des 2022 liquidierten liberalen Radiosenders "Echo Moskwy". Genüsslich erzählte Solowej davon, dass sich ein konkreter Doppelgänger Putins trotz Covid nun wieder besser fühle. Dass der Kranke bei einem Treffen zu einem hochrangigen chinesischen Militär einen Sicherheitsabstand eingehalten habe, beim Besuch einer Kinderklinik jedoch nicht und Ärzte wie Patienten ihm also egal gewesen seien, sei doch für Russland charakteristisch, analysierte er.

In einem transparenteren Land, wo derartige Geschichten relativ einfach zu widerlegen wären, würden sie fast automatisch als Hirngespinste oder Literatur eingestuft werden. Doch das gilt nicht für das aktuelle Russland, das angesichts seiner staatlichen Medienkontrolle einen guten Nährboden für die Verbreitung einschlägiger Gerüchten bietet. Ein weiterer Faktor, der den Erfolg von "General SWR" unterstützt, ist die Tabuisierung von Putins Privatleben. Auch über seine Gesundheit wird offiziell kaum berichtet. Zudem hat der Kreml wiederholt bei längeren, womöglich krankheitsbedingten Abwesenheiten Putins in der Öffentlichkeit protokollarische Filmaufnahmen falsch datiert und als aktuelle Präsidenten-Termine publiziert. Im russischen Journalistenjargon ist diesbezüglich von "Konserven" die Rede, die etwa für Krankheitsfälle vorbereitet würden.

Gleichzeitig gehen freilich ernsthafte Beobachter nicht vom Einsatz von Doppelgängern oder gar dem via Telegram kolportierten Tod des Staatsoberhaupts aus. Sie habe nie einen Putin-Doppelgänger getroffen, erklärte auf APA-Nachfrage Margot Klestil-Löffler, die zwischen 2009 und 2014 als österreichische Botschafterin in Moskau tätig war. Es werde zwar immer wieder gesagt, dass andere Staatsmänner Doppelgänger hätten, aber sie glaube nicht daran. "In den mehr als fünf Jahren, in denen ich in Russland war, war das überhaupt kein Thema", sagte die Diplomatin, die bereits als Gattin des 2004 verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil enge Kontakte zu Putin hatte. Auch Klestil-Löfflers Kollege Martin Sajdik, der insbesondere im postsowjetischen Raum bestens vernetzt ist, hat in diplomatischen Kreisen nie von ernsthaften Diskussionen über Putin-Doppelgänger gehört. Er glaube nicht, dass ein hypothetischer Tod des Präsidenten lange geheimgehalten werden könnte, sagte Sajdik der APA. "Auch in der Sowjetzeit sind alle Führer gestorben, das wurde bei Stalin, Breschnew und weiteren verkündet. Warum sollte das bei Putin anders sein?", erklärte er.

Was steckt dahinter?

Weniger Konsens gibt es hingegen zur Frage von Solowejs Motiven. Ökonomie könnte eine Rolle spielen, "General SWR" verkauft Werbung, deren Preis mit einer wachsenden Leserschaft wachsen dürfte. Am Donnerstagabend verfügte der Kanal über knapp 464.000 Abonnenten.

Was dahinterstecke, sei schwer eindeutig zu sagen, erklärte der APA der russische Geheimdienstexperte Andrej Soldatow. "Es ist möglich, dass Solowej das nicht nur des Hypes wegen macht. Das könnte durchaus eine 'aktive Maßnahme' sein", erläuterte er. Der Fachbegriff bezieht sich auf geheimdienstliche Operationen, mit denen die öffentliche Meinung manipuliert werden soll.

Auf den ersten Blick sehe das alles eigenartig aus, es gebe aber einen tieferen Sinn, erklärte auf APA-Anfrage indes Solowejs ukrainischer Namensvetter Ihor Solowej. "Menschen glauben an vielerlei Blödsinn und deshalb auch an Putin-Doppelgänger", sagte der Leiter des staatlichen Zentrums für strategische Kommunikation in Kiew, der sich insbesondere mit russischer Propaganda beschäftigt. "General SWR" stifte einerseits in der russischen Gesellschaft Verwirrung und zwinge den Kreml, sich zu rechtfertigen. Andererseits würden aber auch die Mächtigen die Verbreitung des Gerüchts für ihre Zwecke verwenden: "Die (Ende Oktober lancierte, Anm.) Geschichte zum Tod Putins blieb zwei Tage offiziell völlig unkommentiert. Diese Zeit wurde wohl von den Geheimdiensten des Kreml verwendet, um die Reaktion bei Vertretern der politischen und militärischen Führung zu beobachten", sagte der Experte. Jene Gruppe, die im Ernstfall an die Macht kommen sollte, könnte diese Informationen auch verwenden, um sich dann illoyaler Personen in Putins Umfeld zu entledigen.

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