Israels Armee bereitet sich auf eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen vor.
"Wir bereiten uns auf ein Bodenmanöver vor, falls dieses von der politischen Führung entschieden wird", sagte Militärsprecher Richard Hecht am Donnerstag. Eine solche Entscheidung sei noch nicht gefallen. Die radikalislamische Hamas hat am Donnerstag nach eigenen Angaben erneut Raketen auf Tel Aviv abgefeuert.
Der israelische Sprecher betonte angesichts von Bildern weitreichender Zerstörungen im Gazastreifen, es gebe "kein Flächenbombardement" in dem Palästinensergebiet. "Wir greifen kein Ziel an, das nicht auf Geheimdienstinformationen basiert", erklärte Hecht. Die Angriffe seien zwar "größer als alles, was wir bisher gesehen haben", sagte er. Die Armee bekomme aber jeweils konkrete Informationen darüber, wo militante Palästinenser sich versteckten. "Wenn eine beteiligte Person sich versteckt, werden wir (die Zivilbevölkerung) vor dem Angriff warnen", sagte er. "Menschen, die gehen wollen, gehen dann."
Hamas-Führung soll ausgeschlaten werden
Israels Militär will mit den Angriffen im Gazastreifen die gesamte Führungsspitze der dort herrschenden islamistischen Hamas ausschalten. Dies schließe nicht nur die militärische, sondern auch die politische Führung der Hamas ein, sagte Hecht. "Wir konzentrieren uns darauf, die ranghohe Führung auszuschalten, bis zu (Hamas-Chef Yahya) al-Sinwar", sagte Hecht. Nach israelischen Informationen habe auch die politische Führung einschließlich Sinwars von den Anschlagsplänen gewusst. Man bemühe sich auch um die Identifikation aller bei den Tötungen und Entführungen in Israel beteiligten Terroristen.
Israel hatte Donnerstagfrüh nach Berichten von AFP-Korrespondenten Dutzende Luftangriffe in Richtung des Flüchtlingslagers Al-Shati und im Norden des Gazastreifens ausgeführt. Augenzeugen zufolge wurde auch Gaza-Stadt aus der Luft bombardiert. Hamas-Behörden meldeten außerdem einen Luftangriff auf das Flüchtlingslager Jabaliya. Von der Hamas kontrollierte Medien berichteten, 15 Palästinenser seien getötet worden.
Zwischenfall in der West Bank
Im Westjordanland haben unterdessen dem dortigen Gesundheitsministerium zufolge israelische Siedler zwei Palästinenser getötet. Ein Vater und sein Sohn seien erschossen worden, als die Siedler bei einer Beerdigung das Feuer eröffnet hätten, berichten Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters. Der Vorfall bei der Beerdigung von vier Palästinensern ereignete sich am Mittwoch in Qusra, in der Nähe der Stadt Nablus. Die Bestatteten waren von bewaffneten Siedlern und israelischen Soldaten getötet worden.
Die Zahl der bei Luftangriffen Israels im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist am Donnerstag auf mindestens 1.354 gestiegen. Mehr als 6.000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza am Donnerstag mit.
Bei dem Hamas-Angriff am Samstag sind in Israel mindestens 1.300 Menschen ums Leben gekommen, berichtete am Donnerstag der israelische öffentlich-rechtliche Sender Kan. Zuletzt war die Rede von rund 1.200 Getöteten.
Israels Energieminister hat unterdessen die Grundversorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen an die Freilassung der israelischen Geiseln geknüpft. "Kein Stromschalter wird umgelegt, kein Wasserhahn geöffnet und kein Treibstofflaster fährt rein, bis die israelischen Geiseln nach Hause zurückgekehrt sind", schrieb Israel Katz am Donnerstag auf der Plattform X (vormals Twitter). Humanitäre Gesten werde es nur im Gegenzug für humanitäre Gesten geben. "Und dass uns keiner Moral predigt", schrieb der Politiker der Partei Likud von Regierungschef Benjamin Netanyahu.
Massive Fluchtbewegungen
Nach Ansicht der israelischen Geheimdienstministerin Gila Gamliel zur Abschreckung anderer Extremistengruppen in der Welt führen. "Unser entschlossenes Handeln wird andere Organisationen davon abhalten, die gleichen tragischen Angriffe zu verüben", meinte Gamliel gegenüber AFP. Israel müsse die Hamas "ausrotten", damit niemand auch nur auf die Idee komme, "das, was (in Israel) passiert ist, als Modell" für künftige Anschläge zu nutzen.
Die Angriffe führten unterdessen zu massiven Fluchtbewegungen der Bevölkerung im Gazastreifen. Bis zum späten Mittwochabend seien bereits fast 340.000 Menschen aus ihren Wohnungen geflüchtet, berichtete das UNO-Nothilfebüro (OCHA) am Donnerstag. Im Gazastreifen leben mehr als 2 Millionen Menschen.
Das Rote Kreuz will sich als Vermittler um die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der radikalislamischen Hamas bemühen. "Als neutraler Vermittler sind wir bereit, humanitäre Besuche durchzuführen, die Kommunikation zwischen Geiseln und Familienangehörigen zu erleichtern und eine eventuelle Freilassung zu ermöglichen", erklärte der Regionaldirektor für den Nahen Osten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Fabrizio Carboni.
Carboni beklagte gleichzeitig die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen. "Das menschliche Elend, das durch diese Eskalation verursacht wird, ist abscheulich, und ich fordere beide Seiten auf, das Leiden der Zivilbevölkerung zu verringern", sagte er. "Mit dem Stromausfall in Gaza verlieren auch die Krankenhäuser ihren Strom, wodurch Neugeborene in Brutkästen und ältere Patienten, die Sauerstoff benötigen, gefährdet sind. Die Nierendialyse wird unterbrochen, und Röntgenaufnahmen können nicht gemacht werden. Ohne Strom laufen die Krankenhäuser Gefahr, sich in Leichenhallen zu verwandeln."
(Redaktionelle Hinweise: GRAFIKEN 1371-23, 88 x 68 mm, 1372-23, 88 x 138 mm)