Am Holocaust-Gedenktag
Israel: Marine Le Pen verbreitet "neue Form der Holocaustleugnung"
24.04.2017Warnung bei Zeremonie zum Gedenken an sechs Millionen getötete Juden.
Israels Präsident Reuven Rivlin hat der rechtspopulistischen französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen eine neue, gefährliche Form der Holocaustleugnung vorgeworfen. "Die vorherrschende Botschaft der jüngsten politischen Äußerungen ist äußerst beunruhigend", sagte Rivlin am Montag bei einer Zeremonie zum Gedenken an die sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust.
Die Botschaft sei immer dieselbe, kritisierte Rivlin: "Wir sind nicht verantwortlich für den Holocaust, wir sind nicht verantwortlich für die Vernichtung der Juden in unserem Land."
Auf diese Weise habe ein Kandidat der französischen Präsidentschaftswahl die Verantwortung Frankreichs für die Deportation seiner jüdischen Bürger in die Konzentrations- und Todeslager der Nazis geleugnet, sagte Rivlin in seiner Rede im Kibbuz Lohamei HaGeta'ot (auf Deutsch: die Kämpfer der Ghettos) offenbar in Anspielung auf Le Pen, die er namentlich aber nicht erwähnte.
Le Pen hatte am 9. April eine Mitverantwortung Frankreichs für die Festnahme von 13.000 Juden in Paris im Jahr 1942, die sogenannte "Rafle du Vel d'Hiv", geleugnet. Hingegen hatte der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac im Juli 1995 die Verantwortung Frankreichs für die Massenverhaftung anerkannt. Israel kritisierte, die Äußerungen Le Pens stünden "im Widerspruch zur historischen Wahrheit".
"Die Verleugnung der Verantwortung für die Verbrechen, die im Zweiten Weltkrieg begangen wurden, ist eine Verleugnung des Holocaust auf eine neue, zerstörerische und gefährlichere Art als das, was wir bisher kennengelernt haben", fügte der israelische Präsident hinzu.
Die traditionellen Holocaustleugner, die politisch am äußeren rechten oder linken Rand zu finden seien, hätten einen "minimalen" Erfolg, sagte Rivlin. Die aktuelle Leugnung habe "ein raffinierteres Ziel": Nicht die Leugnung des Holocaust an sich, sondern die Umwandlung der nationalen Regierungen und Institutionen jener Zeit zu "Opfern". "Wenn ich das Opfer bin, kann ich nicht der Schuldige sein. Wenn ich das Opfer bin, trage ich nicht den furchtbaren Schandfleck eines Fehlers", fügte Rivlin hinzu.
Die Rechtspopulistin Le Pen kam in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag auf 21,30 Prozent und erreichte damit die Stichwahl am 7. Mai, bei der der sozialliberale Reformpolitiker Emmanuel Macron als Favorit gilt.
Le Pens Vater, der heute 88-jährige Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen, ist immer wieder wegen antisemitischer und rassistischer Ausfälle verurteilt worden - unter anderem für seine Aussage, die NS-Gaskammern seien ein "Detail" der Geschichte.