Die israelische Armee hat am Sonntag ihre Truppen aus der Stadt Khan Younis im Süden des Gazastreifens abgezogen.
Die 98. Kommando-Abteilung habe ihren dortigen Einsatz beendet, hieß es in einer Mitteilung der Armee. Sie soll sich nun "erholen und auf weitere Operationen vorbereiten". Unklarheit herrschte vorerst über die weitere Strategie. Die Zahl der bei israelischen Angriffen im Gazastreifen getöteten Menschen stieg unterdessen laut palästinischen Angaben auf 33.175 an.
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Mindestens 75.886 Palästinenserinnen und Palästinenser seien zudem verletzt worden, hieß es seitens der palästinensischen Gesundheitsbehörde. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 38 Menschen getötet und 71 verletzt worden. Die Vereinten Nationen haben die Angaben der Behörde mehrfach als realistisch bezeichnet. Die Zahl der Opfer könnte allerdings weitaus höher sein, weil viele Menschen vermisst werden und zahlreiche Tote unter den Trümmern zerstörter Häuser verschüttet sind.
Neue Wende im Krieg?
Seitens des israelischen Militärs hieß es am Sonntag weiters, erhebliche Truppen verblieben weiterhin im Gazastreifen. "Sie werden die Aktionsfreiheit der israelischen Armee bewahren und ihre Fähigkeiten, präzise Operationen auf der Basis von Geheimdienstinformationen auszuführen."
Es war zunächst in Schwebe, ob der Abzug aus Khan Younis eine wichtige Wende im Krieg oder ein neues Zwischenstadium auf dem Weg zu einem möglichen Einsatz in der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten bedeutet. Die Armee hatte am Samstag mitgeteilt, dass die Leiche einer Geisel in Khan Younis geborgen worden sei. Die Stadt gilt als wichtiger Stützpunkt der islamistischen Hamas.
Ende der großen Bodenoffensive
Israelische Medien deuteten den Abzug jedoch als Ende der großen Bodenoffensive, die am 27. Oktober vergangenen Jahres begonnen hatte. Künftig seien in Khan Younis nur noch gezielte, punktuelle Einsätze geplant, schrieb die Nachrichtenseite ynet. Die Armee werde es den Einwohnern erlauben, in ihre Wohnungen zurückzukehren. Der Abzug umfasse drei Brigaden, nun solle nur noch eine Brigade in dem Küstenstreifen bleiben, berichtete die "Jerusalem Post".
Israel hatte zuvor am Sonntag Luftangriffe auf den Osten des Libanons geflogen, eine Hochburg der pro-iranischen Hisbollah-Miliz. Die Angriffe seien eine "Vergeltungsmaßnahme" für den Abschuss einer israelischen Drohne gewesen, erklärte die israelische Armee im Online-Dienst Telegram. Auch aus dem Hisbollah-Umfeld wurden die morgendlichen Angriffe Israels bestätigt. Im Gazastreifen wurden unterdessen nach Angaben des israelischen Militärs vier weitere Soldaten getötet.
Laut israelischer Armee griffen ihre Kampfflugzeuge im Libanon "einen militärischen Komplex und drei weitere terroristische Einrichtungen an, die zum Luftabwehr-Netzwerk der Hisbollah gehören". Dies sei die Vergeltung für den Abschuss einer israelischen Drohne am Samstag.
Die israelischen Angriffe hätten "zwei Gebieten im Bekaa-Tal, Janta und Sifri, gegolten", erfuhr die Nachrichtenagentur AFP von einer Quelle aus dem Umfeld der Hisbollah in der ostlibanesischen Region Baalbek. Janta ist eine Bergregion nahe der Grenze zu Syrien, Sifri liegt im Zentrum des Bekaa-Tals. Nach Angaben aus der libanesischen Zivilschutzbehörde gab es bei den israelischen Angriffen weder Tote noch Verletzte.
Fast täglich Gefechte
Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas am 7. Oktober kommt es im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon fast täglich zu Gefechten zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der mit der Hamas verbündeten Hisbollah, die über ein großes Arsenal an Kurz-und Mittelstreckenraketen verfügen soll. Durch die Auseinandersetzungen an der israelisch-libanesischen Grenze wurden laut einer AFP-Zählung mindestens 349 Menschen getötet, die meisten von ihnen Hisbollah-Kämpfer. Es starben aber auch mindestens 68 Zivilisten.
Im Gazastreifen wurden nach Angaben des israelischen Militärs vier weitere Soldaten getötet worden. Es veröffentlicht am Sonntag ihre Namen. Sie seien am Samstag im Süden des Gazastreifens ums Leben gekommen. Damit steige die Zahl der Verluste seit Kriegsbeginn auf 604 Soldaten. Die Hamas hatte sich am Samstag zu einem Hinterhalt gegen israelische Streitkräfte in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens bekannt.
Auslöser des aktuellen Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen dabei schon mehr als 33.000 Menschen in Gaza ums Leben. Bei der unabhängig kaum zu überprüfenden Zahl wird nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ließ dazu Sonntag früh auf der Online-Plattform X (Ex-Twitter) wissen (im Original auf Englisch): "Sechs schreckliche Monate seit dem Angriff der #Hamas-Terroristen auf #Israel, der unerträgliches menschliches Leid für israelische und palästinensische Zivilisten verursacht hat. Es ist höchste Zeit für eine humanitäre Pause! Hamas muss alle Geiseln freilassen. Mehr Hilfe muss #Gaza erreichen. Humanitäres Recht ist nicht verhandelbar."