Das einzige Ziel der drei Attentäter vom Istanbul-Airport: Möglichst viele Menschen töten.
Verheerende Bilanz des IS-Terroranschlags auf den größten türkischen Flughafen: mindestens 42 Todesopfer und 239 Verletzte. Viele von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Österreicher sind keine unter den Opfern.
Kurz vor 22 Uhr stoppten am Dienstagabend, wie berichtet, zwei Selbstmordattentäter mit einem Taxi vor dem Atatürk-Airport. Ein dritter IS-Killer wartete auf dem Parkplatz. Alle hatten Sprengstoffgürtel unter ihren Jacken und Kalaschnikows in ihren Taschen. Sie stiegen vorm Haupteingang zum internationalen Teil des Flughafens aus. Hunderte Passagiere waren mit ihrem Gepäck gerade auf dem Weg zu den beiden Sicherheitsschleusen.
»Ein Vater umarmte seine Tochter, ihr fehlte ein Bein«
Sturmangriff. Erst eröffneten die Attentäter das Feuer aus ihren Kalaschnikows. Einem gelang es, bis in den Terminal vorzudringen. Augenzeugen schildern: „Er hat einfach auf jeden geschossen, der ihm in die Quere kam. Er war ganz in Schwarz gekleidet und nicht maskiert.“
Bevor er den Check-in-Bereich erreichte, wurde er vom Schuss eines Polizisten getroffen. Er sackte schreiend zusammen, rollte zur Seite, hob seinen Kopf und zündete den Sprengstoffgürtel.
Glas splitterte, Tote und Verletzte lagen auf dem Boden, andere rannten in Panik davon. Zeitgleich zündeten die beiden anderen Killer ihre Höllenmaschinen vor dem Flughafen. Sie rissen jene in den Tod, die gerade auf dem Weg zu den Sicherheitsschleusen waren. „Überall war Blut, Leichenteile lagen auf dem Boden, ein Mann umarmte seine Tochter, ihr fehlte ein Bein“, sagte eine deutsche Augenzeugin.
Video zum Thema:Nach Anschlag: Ratlose Reisende vor Flughafen
Ist IS-Kommandeur Ebubekir der Drahtzieher?
Die türkische Regierung vermutete sofort die Terrormiliz IS als Drahtzieher des Anschlags. Auch Terrorismusexperte Rolf Tophoven glaubt daran: „Der Anschlag ist eine Blaupause des Angriffs auf den Brüsseler Flughafen.“
Drahtzieher des Massenmordes dürfte Ilhami Bali alias Ebubekir sein, ranghöchster IS-Kommandeur für die Türkei. Er steht auf der Terrorliste der Türkei. Innerhalb des IS ist er für die Nachschublinien nach Syrien und in den Irak zuständig. Lange Zeit sah die Türkei tatenlos zu, wie Zehntausende IS-Kämpfer via Türkei in den Krieg zogen. Diese Schmuggelrouten sind nun zu. Möglicherweise ist das der Hintergrund für das Blutbad. Bekennerschreiben gibt es bisher keines.
K. Wendl
Terror in der Türkei1/11
28. Juni 2016: Drei Attentäter greifen den Eingangsbereich am internationalen Terminal des Istanbuler Atatürk-Flughafens an. Nach einer Schießerei sprengen sich alle drei in die Luft und töten dabei 42 Menschen. Rund 239 Personen werden verletzt. Die Regierung vermutet den IS hinter der Tat.
7. Juni 2016: Die Explosion einer ferngezündeten Autobombe tötet im Zentrum Istanbuls sechs Polizisten und fünf Passanten, 36 Menschen werden verletzt. Die TAK, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, bekennt sich zu der Tat.
19. März 2016: Ein Attentäter sprengt sich auf der zentralen Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal in die Luft und reißt vier Menschen mit in den Tod, 39 werden verletzt. Drei der Todesopfer sind Israelis, eines ist aus dem Iran. Laut türkischer Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur sunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
13. März 2016: Bei einem Anschlag im Zentrum der Hauptstadt Ankara sterben mindestens 37 Menschen. Mehr als 120 weitere werden verletzt. Eine Selbstmordattentäterin hatte sich mit einem Auto nahe einer belebten Bushaltestelle in die Luft gesprengt. Die aus der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hervorgegangene militante Splittergruppe "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK) bekennt sich zu der Tat.
17. Februar 2016: Bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi im Regierungsviertel von Ankara sterben 30 Menschen, darunter der Selbstmordattentäter. Später bekennt sich die TAK zu der Tat. Die türkische Regierung macht die PKK und ihren syrischen Ableger YPG für den Anschlag mitverantwortlich.
12. Jänner 2016: Bei einem Anschlag im historischen Zentrum Istanbuls werden zwölf deutsche Touristen getötet. Der Angreifer sprengt sich mitten in einer deutschen Reisegruppe in der Umgebung der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in die Luft. Der Attentäter gehörte nach Angaben der türkische Regierung dem IS an.
10. Oktober 2015: Am Rande einer regierungskritischen Demonstration in der Hauptstadt Ankara reißen zwei Sprengsätze mehr als 100 Menschen in den Tod. Die Staatsanwaltschaft macht den IS verantwortlich.
10. August 2015: Bei einem Bombenanschlag und einem anschließenden Angriff auf eine Polizeiwache in Istanbul werden mindestens vier Menschen getötet. Zwei Frauen greifen zudem das US-Konsulat an, eine wird festgenommen. Sie soll Mitglied der linksextremen Terrororganisation DHKP-C sein.
20. Juli 2015: Im südtürkischen Grenzort Suruc reißt ein Selbstmordattentäter 33 pro-kurdische Aktivisten mit in den Tod. Die Behörden machen den IS verantwortlich, die sich allerdings nie zu der Tat bekennt.
6. Juni 2015: Zwei Tage vor der türkischen Parlamentswahl verüben Unbekannte in der südosttürkischen Kurden-Metropole Diyarbakir einen Sprengstoffanschlag auf eine Veranstaltung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Mindestens vier Menschen sterben.
11. Mai 2013: Bei der Explosion zweier Autobomben in der Grenzstadt Reyhanli werden mehr als 50 Menschen getötet. Die Regierung beschuldigt türkische Linksextremisten mit Kontakten zum Regime im benachbarten Syrien.
Karte: Der Atatürk-Airport befindet sich im europäischen Teil Istanbuls