Kosovo
Jahjaga zur neuen Präsidentin gewählt
07.04.2011
Das Land ist auf dem Weg aus der institutionellen Krise.
Die bisherige stellvertretende Polizeidirektorin Atifete Jahjaga ist am Donnerstagabend zur neuen Präsidentin des Kosovo gewählt geworden. Im Parlament erhielt sie die Unterstützung von 80 Abgeordneten und damit die notwendige Zweidrittelmehrheit aller Parlamentsmitglieder. Im Rennen um das Präsidentenamt im jüngsten Land Europas waren zum ersten Mal zwei Frauen. Die Gegenkandidatin Jahjagas war die in der Öffentlichkeit ebenso wenig bekannte Abgeordnete der Allianz Neues Kosovo (AKR), Suzane Novoberdaliu. Zehn der 101 anwesenden Abgeordneten stimmten für sie, weitere zehn Stimmen waren ungültig.
Einigung am Nachmittag
Die Präsidentenwahl erfolgte nach der Einigung der Chefs der regierenden Demokratischen Partei (PDK), Hashim Thaci, und der führenden oppositionellen Demokratischen Liga (LDK), Isa Mustafa, sowie Behgjet Pacollis von der mitregierenden Allianz Neues Kosovo (AKR) über die gemeinsame Kandidatur Jahjagas für das Präsidentenamt. Sie war unter Vermittlung des US-Botschafters Christopher Dell nach zweitägigen stundenlangen Gesprächen am Mittwochabend erzielt worden.
Die Einigung sieht auch die Bildung einer Kommission vor, die in den nächsten sechs bis neun Monaten die Verfassungsreform vorbereiten wird. Diese soll ermöglichen, den Staatschef künftig nicht mehr wie derzeit im Parlament, sondern durch eine Direktwahl zu bestimmen. Die erste Präsidentenwahl nach den neuen Regeln soll sechs Monate nach dem Inkrafttreten der neuen Verfassungsbestimmungen stattfinden. Vereinbart wurde auch die Abänderung des Wahlgesetzes vor den nächsten Parlaments- und Regionalwahlen im Jahr 2013. Die heutige Parlamentssitzung wurde nach der Einigung der Parteichefs von 40 Abgeordneten beantragt.
Vorzeige-Polizistin
Die 35-jährige Diplomjuristin Jahjaga, nun Interimspräsidentin, kann auf eine glänzende Polizeikarriere zurückblicken. Politisch hat sie sich aber bisher nicht profiliert. Gerade diese Tatsache hat sie wohl als gemeinsame Präsidentschaftskandidatin der zwei Regierungs-und einer Oppositionspartei besonders geeignet gemacht.
Atifete Jahjaga werde ein wichtiges Symbol der Ausrichtung des Landes auf die Rechtsstaatlichkeit sein. Ihre Präsidentschaft werde den Beginn eines neuen und konstruktiven Kapitels in der Landesgeschichte darstellen, teilte der US-Botschafter in einer Aussendung mit. Die Einigung der drei Politiker wurde auch vom Chef des Internationalen Zivilbüros, Pieter Feith, begrüßt. Von Dell und Feith wurde auch die "würdevolle Haltung" Pacollis gelobt, der auf seine, von der Opposition nicht unterstützte Präsidentschaftskandidatur am Mittwoch verzichtet hat.
Die Opposition ist der neuen Präsidentin nicht gleichermaßen wohlgesinnt. Als "Dell-okratie" hat die "Vetevendosje" (Selbstbestimmung), die drittstärkste Parlamentskraft, die Kandidatur Jahjagas, die unter klarer Mitwirkung des Botshafters Dell erfolgte, bezeichnet. Kosovo habe sich in eine Bananenrepublik verwandelt, kritisierte die nationalistische Bewegung die Einigung der drei Parlamentsparteien. Die oppositionelle Allianz für die Zukunft (AAK) hat sie als "Spektakel" bezeichnet. Während die "Vetevendosje"-Abgeordneten die Präsidentenwahl boykottierten, sind jene der AAK im Saal geblieben.
Parlamentspräsident Jakup Krasniqi, ein PDK-Spitzenfunktionär, wies am Nachmittag die Gerüchte zurück, dass er wegen der "verfassungswidriger Einigung" der Parteichefs zurücktreten möchte. Es sei nicht der 1. April, meinte Krasniqi Medien gegenüber.
Die erneute Präsidentenwahl wurde notwendig, nachdem das Verfassungsgericht in der Vorwoche die am 22. Februar erfolgte Wahl des Geschäftsmannes Pacolli zum Präsidenten Kosovos für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Opposition hatte die Abstimmungen boykottiert, wodurch in den ersten zwei Abstimmungen das notwendige Quorum nicht gegeben worden war. Zudem hatte es nur einen einzigen Präsidentschaftskandidaten gegeben, was ebenfalls nicht im Einklang mit der Verfassung war. Die Einigung des Regierungsbündnisses mit der oppositionellen LDK hat heute das Quorum gesichert, mit Novoberdaliu wurde auch die Verfassungsbestimmung erfüllt, dass es mindestens zwei Präsidentschaftskandidaten geben muss.
Pacolli war in dritter Abstimmung mit knapper Stimmenmehrheit - 62 Stimmen - gewählt worden. Nur 35 Tage lang konnte der neue Staatschef sein Amt genießen. Pacolli absolvierte zwei Staatsvisiten - in Tirana und Skopje - bevor er auf das Präsidentenamt verzichten musste. Seine AKR wird die Regierungsbeteiligung nicht aufgeben.