Deutschland
"Jamaika": Verhandlungen drohen zu scheitern
16.11.2017
FDP: "Ernste Mienen" - Union: Es läuft nicht gut.
Die Sondierungen der deutschen Parteien CDU, CSU, FDP und Grünen über ein Jamaika-Regierungsbündnis sind am späten Donnerstagabend in äußerst schweres Fahrwasser geraten. Die Sondierungen seien unterbrochen worden und es werde jetzt in parteiinternen Gruppen beraten, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Auch ein Scheitern wurde für möglich gehalten.
Die Chefunterhändler hatten sich zuvor erneut mit Finanzthemen beschäftigt. Sie waren vom kommissarischen Finanzminister Peter Altmaier über die Finanzspielräume informiert worden. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff schrieb auf Twitter von "ernsten Mienen". Die FDP kämpfe weiter für ihre Positionen. Auch in der Union hieß es, es laufe insgesamt nicht sehr gut.
Blockaden
CSU und Grüne warfen sich erneut gegenseitig Blockaden vor. Während die Grünen sich für den Familiennachzug für alle Flüchtlingsgruppen einsetzen und eine Begrenzung der Aufnahme ablehnen, vertritt besonders die CSU hier die gegenteilige Position.
Einer der Verhandlungsteilnehmer nannte die Situation "ernüchternd". Von anderer Seite hieß es, die Parteien seien "Lichtjahre" von einer Einigung entfernt. Nach den internen Beratungen soll einem Teilnehmer zufolge weiter über Zuwanderung, Klima, das Ende für den Solidaritätszuschlag (Soli) und Europa gesprochen werden.
Am frühen Abend hatte es noch positive Signale gegeben. So bot die Union laut Verhandlungskreisen einen Kompromiss im Kohlestreit an. Demnach soll die Kohleverstromung um sieben Gigawatt reduziert werden. Die Grünen hatten acht bis zehn Gigawatt gefordert, Union und FDP boten bisher drei bis fünf Gigawatt an. Vor dem Tagungsgebäude war am Abend ein "Kohle Stopp"-Demonstrationszug vorbeigezogen, zuvor hatte schon Greenpeace für Umweltschutz demonstriert.
Einigungsentwurf
Die Verhandlungsgruppen gingen am Donnerstagabend mit einem 61 Seiten starken Einigungsentwurf in die Gespräche. In der Präambel des Papiers, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: "Uns eint die Verantwortung für die Menschen und die Zukunft unseres Landes." Das Wahlergebnis habe die vier Parteien vor die Aufgabe gestellt, eine handlungsfähige und erfolgreiche Bundesregierung zu bilden. "Wir wollen aus unterschiedlichen Auffassungen neue und überzeugende Antworten gewinnen."
Bei dem für den finanziellen Spielraum der künftigen Regierung mitentscheidenden, umstrittenen Abbau des Solidaritätszuschlags rückte ein Kompromiss näher, wie aus den Verhandlungsunterlagen hervorgeht. Konkret heißt es darin: "Der Solidaritätszuschlag wird schrittweise abgebaut." Allerdings waren die Details der vorgesehenen drei Etappen weiter umstritten.
Die Grünen kündigten an, auf ihre bisherige Forderung nach einer höheren Dieselsteuer zu verzichten. Dies erfordere aber Gegenleistungen der anderen Parteien. Fraktionschef Anton Hofreiter zählte dazu unter anderem strengere Regeln für den Kohlendioxid-Ausstoß, ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer als Kaufanreiz für emissionsarme Pkw sowie wirksame Lösungen für gesunde Luft in den Städten.
Es kam aber auch die Befürchtung auf, dass die Sondierungen doch länger dauern könnten als geplant. Angesichts der noch offenen Fragen brachte FDP-Vize Wolfgang Kubicki eine Verlängerung ins Gespräch. Dem "Spiegel" sagte er, Formelkompromisse müssten vermieden werden, die später für Streit in einer gemeinsamen Regierung sorgen könnten. Die Grünen unterstrichen vor den finalen Gesprächen, es müsse vor allem vorangehen bei der Rettung des Klimas, für eine menschliche und geordnete Asylpolitik, für mehr Gerechtigkeit und ein gemeinsames Europa