40.000 demonstrierten in Athen. Premier Papandreou bot sogar Rücktritt an.
In Griechenland regierte die Gewalt. Rund 40.000 Menschen marschierten gestern beim Generalstreik in Athen auf, um ihre Wut über das neue Sparpaket auszudrücken.
5.000 Polizisten rückten aus, um die Hellenen im Zaum zu halten. Sie feuerten Tränengas ab, die Demonstranten warfen Steine und andere Geschosse zurück. Nur wenige Stunden hielten die Polizei-Absperrungen, dann kam es zu wilden Schlägereien. Mindestens sieben Menschen wurden verletzt.
Die Dienstlimousine von Premier Giorgos Papandreou wurde mit Orangen beworfen. „Diebe, Verräter“, skandierten Demonstranten vor dem Parlament.
Papandreou bleibt und baut seine Regierung um
Aber dann kollabierte auch die Regierung: Die Opposition forderte Papandreou auf, Platz zu machen für einen „neuen, anerkannten Regierungschef“. Der Premier beugte sich dem Widerstand. Er bot zuerst seinen Rücktritt an, wenn es zu einer „Regierung der nationalen Einheit“ kommt. Am Abend kündigte er jedoch an, zu bleiben, will aber seine SP-Regierung umbauen.
Der Generalstreik legte das Land lahm. Nichts ging mehr am Peloponnes. Busse, Bahnen und Schiffe fuhren nicht, in Krankenhäusern gab es nur einen Notdienst. Banken blieben geschlossen. Sogar die TV- und Radiostationen sendeten für einige Stunden kein Programm. Auch die Journalisten schlossen sich dem Generalstreik an.
Die Griechen waren nicht gewillt, dem rigiden Sparplan Papandreous zu folgen. Der Plan des Ministerpräsidenten war, den maroden Haushalt um weitere 6,5 Milliarden Euro zu entlasten. So will die Regierung die Auszahlung der nächsten Kredittranche aus dem Hilfspaket von EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank sichern. Wird kein Geld von der EU überwiesen, ist das Land, das am Dienstag von der Ratingagentur Standard & Poor’s auf Ramsch-Niveau abgewertet wurde, Mitte Juli pleite.
Dass der beinharte Sparkurs der richtige Weg ist, bezweifeln Experten. „Die Zinsen liegen bei fast 18 Prozent, Erträge aus dem Sparpaket werden aufgefressen. Da hilft der größte Sparwille nichts“, so WIFO-Experte Stephan Schulmeister.
Während sich die Krise immer mehr zuspitzt, wird der Streit über das neue Hilfspaket von 120 Milliarden Euro auch innerhalb der EU immer heftiger. Die Deutschen beharren darauf, dass sich auch die Banken als Gläubiger beteiligen sollen.
WIFO-Experte Schulmeister: "Horror-Zinsen unfinanzierbar"
ÖSTERREICH: Sollen die Griechen nochmals 100 Milliarden Euro erhalten?
Schulmeister: Das Hilfspaket ist nur ein Zeitgewinn. Die EU müsste die Zeit nutzen, um neue Orientierung zu finden. Bis vor 18 Monaten haben die Märkte die Bonität der Euroländer in etwa gleich behandelt. Plötzlich erfahren Länder wie Griechenland Zinserhöhungen, die sie sich am Kapitalmarkt nicht mehr refinanzieren können.
ÖSTERREICH: Wo lag das Zinsniveau vor zwei Jahren?
Schulmeister: Bei ungefähr fünf Prozent. Aber derzeit liegen die Zinsen bei fast 18 Prozent. Die Erträge der griechischen Sparanstrengungen werden von den Zinsen aufgefressen.
ÖSTERREICH: Wie kam es zu dieser Zinsexplosion?
Schulmeister: Die Zinsschübe kommen durch das Doppelpassspiel der Ratingagenturen. Die Agentur Moody’s stuft die Bonität Griechenlands herab, dadurch steigern Banken wie Goldman Sachs die Prämien, um eine Staatsanleihe zu besichern. Als Nächstes rollt der Ball zu den Anleihehändlern, die Zinsen steigen, weil das Risiko der griechischen Staatsanleihen gestiegen ist. Nun kommt die S&P-Ratingagentur, die Griechenland wegen der hohen Zinsen weiter zurückgestuft.
ÖSTERREICH: Wie kann man den Teufelskreis beenden?
Schulmeister: Indem man den Mut hat und einen Europäischen Währungsfonds gründet, der die Euroländer zu einem fixen Zinssatz finanziert. Das Spiel dient nur dazu, die Währungsunion zu unterminieren.