Schwere Vorwürfe

"Justiz-Skandal" um Terroristen-Selbstmord

Teilen

Nach dem Suizid des IS-Terroristen werden schwere Vorwürfe erhoben.

Wenige Tage nach seiner Festnahme wegen mutmaßlicher Anschlagspläne hat sich der Syrer Jaber al-Bakr im Gefängnis das Leben genommen. Der 22-Jährige habe am Mittwochabend in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Leipzig Suizid begangen, teilte das sächsische Justizministerium mit. Al-Bakrs Pflichtverteidiger sprach von einem "Justizskandal". Auch Politiker reagierten entsetzt.

Harte Kritik
Unter welchen Umständen es dem offenbar streng bewachten und als selbstmordgefährdet eingestuften al-Bakr gelingen konnte, sich das Leben zu nehmen, teilten die Behörden zunächst nicht mit. Das sächsische Justizministerium bestätigte lediglich den Suizid und verwies auf eine für Donnerstag um 11.00 Uhr in Dresden angesetzte Pressekonferenz. Die deutsche Bundesanwaltschaft wollte sich zunächst nicht äußern.

Pflichtverteidiger Alexander Hübner äußerte am Mittwochabend scharfe Kritik an der sächsischen Justiz: "Ich bin wahnsinnig schockiert und absolut fassungslos, dass so etwas passieren kann", sagte der Rechtsanwalt "Focus Online". Er sprach von einem "Justizskandal". Hübner sagte, den Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalt sei das Suizid-Risiko des Beschuldigten bekannt gewesen und auch im Protokoll vermerkt worden.

Nur einmal pro Stunde kontrolliert?

"Er hatte bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert", sagte Hübner laut "Focus Online". Doch noch am Mittwochnachmittag habe ihm der stellvertretende JVA-Leiter telefonisch versichert, dass der in Einzelhaft sitzende al-Bakr "ständig beobachtet" werde. Hübner sagte weiter, dass der Terrorverdächtige sich seit seiner Festnahme im Hungerstreik befand. Er habe seit Sonntag nichts gegessen und getrunken.

Die "Bild"-Zeitung schrieb dagegen, seine Zelle sei offenbar nur einmal pro Stunde kontrolliert worden.

Politiker geschockt

Deutsche Politiker äußerten sich im Kurzbotschaftendienst Twitter schockiert. "Was ist das los?" schrieb Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck twitterte: "Wie konnte das geschehen?" Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt schrieb: "Wenn man nur noch denkt", gefolgt von dem Hashtag "nicht schon wieder Sachsen".

Der junge Syrer war am Samstag bei einem Polizeieinsatz in seiner Wohnung in Chemnitz knapp dem Zugriff der Beamten entkommen. In der Wohnung wurden 1,5 Kilogramm hochexplosiver Sprengstoff gefunden. Drei Syrer, bei denen al-Bakr dann in Leipzig um einen Platz zum Übernachten gebeten hatte, überwältigten und fesselten den 22-Jährigen. Sie verständigten die Polizei, die den Verdächtigen schließlich festnahm.

Nach Informationen des Senders MDR Sachsen beschuldigte al-Bakr seine drei Landsmänner im Verhör als Mitwisser. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.

"Dringend verdächtig"
Die Bundesanwaltschaft übernahm nach der Festnahme die Ermittlungen und bezeichnete al-Bakr als "dringend verdächtig", einen "islamistisch motivierten Anschlag mit hochexplosivem Sprengstoff in Deutschland geplant und bereits konkret vorbereitet zu haben". Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte der Verdächtige Züge in Deutschland und Flughäfen in Berlin im Visier. Die Ermittler gehen davon aus, dass al-Bakr Verbindungen zur Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte.

Al-Bakr war Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach Recherchen des MDR war er zwischenzeitlich wieder in Syrien. Das habe die Familie des 22-Jährigen mitgeteilt, berichtete das Magazin "Exakt". Mitbewohner aus dem nordsächsischen Eilenburg hätten ebenfalls von seinem Aufenthalt in Idlib berichtet. Sie hätten den 22-Jährigen aber nicht als besonders religiös beschreiben. Nach seiner Rückkehr soll er sich jedoch verändert haben.

Laut Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wurde Al-Bakr 2015 von den Sicherheitsbehörden überprüft. "Allerdings ohne Treffer. Es steht ja auch noch gar nicht fest, wann es dort zu einer Radikalisierung gekommen ist", sagte er am Mittwoch in Berlin.

Nach der Festnahme hatte es viel Lob für das Verhalten der drei Syrer gegeben, die den Terrorverdächtigen der Polizei ausgeliefert hatten. Aus der Regierungskoalition wurden Forderungen nach einem Orden für die drei Flüchtlinge laut. Innenminister de Maizière wurde vorgeworfen, den Männern nicht ausdrücklich gedankt zu haben. Am Mittwoch sprach de Maizière "Menschen, die den Behörden helfen", "Lob und Anerkennung" aus.

Forderungen nach einer Vorzugsbehandlung für die drei syrischen Flüchtlinge beantwortete de Maizière mit dem Hinweis, die drei Männer hätten bereits Flüchtlingsschutz. Die Verfahren seien "positiv abgeschlossen". Über eine etwaige Ordensverleihung müsse Bundespräsident Joachim Gauck entscheiden.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten