Flugzeugunglück
Kaczynski-Absturz: Kritik an Russland
02.08.2010
Russland arbeitet zu langsam. Polnische Ermittler müssen lange auf wichtige Dokumente warten.
Die Kooperation zwischen den polnischen und russischen Ermittlern zum Absturz der Regierungsmaschine vom 10. April stockt. Fünf Rechtshilfeersuchen der polnischen Seite wurden nicht oder nur teilweise erfüllt. Einzig die Flugschreiber trafen in Warschau ein. Die polnische Regierung hält sich mit Kritik an Russland zurück, die polnische regierungsnahe Zeitung "Gazeta Wyborcza" formulierte jedoch schon deutliche Vorwürfe. Bei dem Flugzeugunglück in Smolensk kamen der polnische Präsident Lech Kaczynski, sein Ehefrau Maria und 94 weitere Insassen - darunter zahlreiche hohe Militärs und Politiker - ums Leben. Die Untersuchungen über die Katastrophe führt die russische Staatsanwaltschaft. Polnische Staatsanwälte führen parallel eigene Ermittlungen.
Laut "Gazeta Wyborcza" hat der polnische Vertreter beim Internationalen Komitee zur Untersuchung von Flugzeugunfällen, Edmund Klich, der Chefin des Zwischenstaatlichen Luftfahrtkomitees (MAK) - der zwölf ehemalige Sowjetrepubliken angehören -, Tatjana Anodina, vor einigen Tagen einen "scharfen" Brief geschickt. Er verlangt darin von der russischen Seite Informationen über die Katastrophe in Smolensk, da Russland die Übergabe der Ermittlungsergebnisse zu den Ursachen des Flugzeugunglücks an die polnische Staatsanwaltschaft sowie die polnische Kommission für die Untersuchung der Flugunfälle verzögere.
Russen halten Materialien zurück
Darüber, dass polnische
Ermittler sehr lange auf wichtige Dokumente aus Moskau warten müssten,
sprach man in Polen in den letzten Wochen mehrmals. Momentan kann die
Untersuchung in Warschau nicht weitergeführt werden. Die polnische
Kommission analysierte bereits alle Daten, die man aus der Black Box der
verunglückten Maschine und anderen Dokumenten entnehmen konnte. Sie ist zu
dem Schluss gekommen, dass nichts auf einen Defekt der Tupolev 154 hinweist.
Polnische Experten sind sich auch darüber einig, dass die Regierungsmaschine
wegen schlechter Wetterbedingungen am 10. April in Smolensk überhaupt nicht
hätte landen sollen. Um einen Endbericht auszuarbeiten, braucht die
Kommission Informationen, über die jedoch nur die russische Seite verfügt.
"Die Russen wollen uns Materialien nicht zur Verfügung stellen", erklärte Klich vor einigen Tagen gegenüber der "Gazeta Wyborcza". Laut der Chicago-Konvention soll er Zugang zu allen Arbeiten der MAK haben. Beispielsweise wollten im die russischen Ermittler die Ergebnisse der Untersuchung des Flugplatzes Siewiernij bei Smolensk nicht zeigen. Er bekam sie erst nach längerem Drängen. Die Untersuchung ergab, dass das dort vorhandene Radar sehr ungenau ist - es messe die Flughöhe der Maschinen mit der Genauigkeit von 300 Metern. Die Fluglotsen konnten in der letzten Phase des Fluges die genaue Position der Tupolev nicht erkennen.
Fluglotsen sollen verhört werden
Die Arbeiten der polnischen
Staatsanwaltschaft sowie der polnischen Kommission zur Untersuchung des
Flugunfalls sind mangels wichtiger Informationen über die Arbeit der
Fluglotsen, Ausrüstung des Flugplatzes und der in Russland geltenden
Flugprozeduren blockiert. Der polnische Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet
kündigte vergangene Woche den sechsten Antrag an Russland zur Erlaubnis von
Verhören an. Die polnische Staatsanwaltschaft möchte Fluglotsen in Smolensk
verhören. Zuvor hatte sie Dokumente beantragt, die folgende Fragen
beantworten sollten: Hätte man den Flugplatz bei so schlechtem Wetter und so
miserabler Ausrüstung vielleicht schließen sollen? Wurde die Entscheidung
über eine Nichtschließung des Flugplatzes in Moskau getroffen, um einen
diplomatischen Skandal zu vermeiden?
Das MAK schwieg von Anfang an über Fakten, die auf eine Mitverantwortung der Russen hinweisen könnten. Laut der "Gazeta Wyborcza" arbeitet das MAK in diesem Fall unter besonderem Druck, weil Premier Wladimir Putin persönlich das russische Untersuchungskomitee leitet, das zu den Ursachen der Tragödie vom 10. April ermittelt.